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23.10.2024

Sozialhilfe: Auch ein Antrag kann Kenntnis von Hilfebedürftigkeit vermitteln

Um einen einfachen Zugang zu gewährleisten, sind die meisten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII (SGB XII) nicht von einem Antrag abhängig. Es genügt vielmehr, dass die zuständige Behörde davon Kenntnis erlangt, dass ein möglicher Leistungsberechtigter seinen Bedarf nicht selbst decken kann. Wird aber dennoch ein Antrag gestellt, so sind die Leistungen ab dann zu erbringen – gegebenenfalls rückwirkend, sollten die Anspruchsvoraussetzungen zunächst noch nicht erwiesen gewesen sein.

Eine pflegebedürftige ältere Dame kam in ein Pflegeheim, konnte die Heimkosten mit ihrer Rente aber nicht decken. Vermögen hatte sie nicht. Ihr Betreuer wandte sich an das Sozialamt, um "die Übernahme der ungedeckten Kosten […] zu beantragen", wie das Sozialamt in einem Vermerk festhielt. Er legte verschiedene Unterlagen vor, aus denen sich unter anderem die Rentenhöhe, die Heimkosten und aufgelaufene Rückstände ergaben. Angaben zum Vermögen machte er nicht.

Das Sozialamt bat den Betreuer um weitere Unterlagen. Diese wurden aber erst etwa zwei Monate später vorgelegt. Das Sozialamt gewährte sodann Leistungen, stellte dafür aber auf seine positive Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen ab, also auf den Zeitpunkt der Vorlage der Unterlagen. Denn insbesondere zum Vermögen hätten zuvor keine Nachweise vorgelegen.

Das LSG entschied, dass Leistungen (rückwirkend) schon ab dem Datum der Antragstellung zu erbringen seien. Denn die Kenntnis vom Bedarfsfall solle einen niederschwelligen Zugang zur Sozialhilfe gewährleisten. Das schließe aber die Möglichkeit einer Antragstellung keineswegs aus. Hier habe der Betreuer einen formlosen Antrag gestellt. Dies sei vom Amt auch erkannt und entsprechend in dem diesbezüglichen Vermerk notiert worden.

Werde ein formloser Antrag auf Sozialhilfeleistungen gestellt, der die Behörde ohne weitere Angaben des Antragstellers noch nicht in die Lage versetze, die Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen, seien – soweit die Voraussetzungen im Weiteren erwiesen würden – Leistungen dennoch ab Antragstellung zu zahlen, so das LSG. Leistungsberechtigte von antragsgebundenen Leistungen würden sonst gegen den Willen des Gesetzgebers bevorzugt. Es wäre widersinnig, wenn antragsgebundene Leistungen auch bei einem unvollständigen Antrag bereits ab Antragstellung gewährt würden, während die Sozialhilfe im Übrigen trotz gleicher Ausgangslage erst später einsetzen würde.

Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 19.09.2024, L 7 SO 2479/23