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02.06.2023

Anfechtung der Vaterschaft: Bedingt keinen Verlust deutscher Staatsangehörigkeit

Leitet sich die deutsche Staatsbürgerschaft eines Kindes von seinem deutschen Vater ab, so verliert dieses die deutsche Staatsbürgerschaft nicht deswegen, weil die Vaterschaft erfolgreich angefochten wurde. Denn hierfür fehle es an der erforderlichen Rechtsgrundlage, so das Oberverwaltungsgericht (OVG) Niedersachsen.

Die Klägerin wurde 2019 geboren. Damals war ihre ausländische Mutter mit einem deutschen Staatsangehörigen verheiratet. Nach Scheidung der Ehe stellte das Familiengericht im Jahr 2020 auf Antrag der Mutter und der Klägerin fest, dass ihr Vater nicht der geschiedene Ehemann ist, sondern ein ausländischer Staatsangehöriger. Die von der Klägerin beantragte Feststellung ihrer deutschen Staatsangehörigkeit lehnte die Hansestadt Lüneburg mit der Begründung ab, die Klägerin habe die mit ihrer Geburt erworbene deutsche Staatsangehörigkeit durch die vor dem Familiengericht erfolgte Vaterschaftsanfechtung rückwirkend verloren.

Auf die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht Lüneburg die Hansestadt Lüneburg verpflichtet, festzustellen, dass die Klägerin die deutsche Staatsangehörigkeit innehat. Die erfolgreiche Anfechtung der Vaterschaft bleibe ohne Auswirkungen auf die Staatsangehörigkeit der Klägerin, da keine gesetzliche Regelung existiere, die in diesem Fall den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit anordne.

Das OVG hat die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt und die Berufung der Hansestadt Lüneburg zurückgewiesen. Artikel 16 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz fordere eine gesetzliche Grundlage, die den Verlust der Staatsangehörigkeit ausdrücklich anordne. An einer solchen fehle es in der vorliegenden Konstellation. Die einschlägige zivilrechtliche Norm des § 1599 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) lege nur die familienrechtlichen Folgen der Vaterschaftsanfechtung fest. Die staatsangehörigkeitsrechtliche Norm des § 4 Absatz 1 Satz 1 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) regele den Erwerb, nicht aber den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit.

Der Gesetzgeber sei zwar davon ausgegangen, dass diese Regelungen nach allgemeiner hergebrachter Rechtsüberzeugung an zwei ungeschriebene Annahmen anknüpften. Danach wirke erstens die Anfechtung der Vaterschaft auf den Zeitpunkt der Geburt des Kindes zurück. Zweitens folgten die staatsangehörigkeitsrechtlichen Regelungen in vollem Umfang den familienrechtlichen Abstammungsvorschriften, das heiße die Staatsangehörigkeit entfalle bei erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung. Der Gesetzgeber habe den hiermit verbundenen Verlust der Staatsangehörigkeit aber selbst nicht ausdrücklich angeordnet.

Eine solche Anordnung ergebe sich auch nicht aus § 17 StAG. Dessen Absatz 1 liste zwar verschiedene Verlustgründe auf, nenne die erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung jedoch nicht. Auch Absatz 2 und Absatz 3 Satz 1 Variante 3 der Vorschrift bestimmten nur die Folgen eines in einem anderen Gesetz vorgesehenen Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit, ordneten diesen Verlust selbst jedoch nicht an. Das OVG hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen. Hiergegen kann Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werden.

Oberverwaltungsgericht Niedersachsen, Urteil vom 25.05.2023, 13 LC 287/22, nicht rechtskräftig