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02.02.2023

Urlaubsabgeltung: Beginn der Verjährungsfrist

Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, nicht genommenen Urlaub nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten, unterliegt der Verjährung. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt in der Regel mit Ende des Jahres, in dem der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Endete das Arbeitsverhältnis vor der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 06.11.2018 (C-684/16) und war es dem Arbeitnehmer nicht zumutbar, Klage auf Abgeltung zu erheben, konnte die Verjährungsfrist laut Bundesarbeitsgericht (BAG) nicht vor Ende 2018 beginnen.

Die Beklagte betreibt eine Flugschule. Sie beschäftigte den Kläger seit dem 09.06.2010 als Ausbildungsleiter, ohne ihm seinen jährlichen Urlaub von 30 Arbeitstagen zu gewähren. Am 19.10.2015 verständigten sich die Parteien darauf, dass der Kläger in der Folgezeit als selbstständiger Dienstnehmer für die Beklagte tätig werden sollte. Mit im August 2019 erhobener Klage verlangte der Kläger Abgeltung von Urlaub aus seiner Beschäftigungszeit vor der Vertragsänderung. Die Beklagte erhob die Einrede der Verjährung.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte Erfolg, soweit er die Beklagte auf Abgeltung von Urlaub aus den Jahren 2010 bis 2014 in Höhe von 37.416,50 Euro in Anspruch nimmt. Bezogen auf eine Urlaubsabgeltung für das Jahr 2015 blieb sie erfolglos.

Das BAG verweist auf seine Entscheidung vom 20.12.2022 (9 AZR 266/20). Danach könnten Urlaubsansprüche verjähren. Die dreijährige Verjährungsfrist beginne jedoch erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch informiert und ihn im Hinblick auf Verfallfristen aufgefordert hat, den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Hat der Arbeitgeber diesen Mitwirkungsobliegenheiten nicht entsprochen, könne der nicht erfüllte gesetzliche Urlaub aus möglicherweise mehreren Jahren im laufenden Arbeitsverhältnis weder nach § 7 Absatz 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) verfallen noch nach § 195 Bürgerliches Gesetzbuch verjähren und sei bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 7 Absatz 4 BUrlG abzugelten.

Der Urlaubsabgeltungsanspruch unterliege allerdings seinerseits der Verjährung. Die dreijährige Verjährungsfrist für den Abgeltungsanspruch beginne in der Regel am Ende des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es auf die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten ankommt. Die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses bilde eine Zäsur. Der Urlaubsabgeltungsanspruch sei – anders als der Urlaubsanspruch – nicht auf Freistellung von der Arbeitsverpflichtung zu Erholungszwecken unter Fortzahlung der Vergütung gerichtet, sondern auf dessen finanzielle Kompensation beschränkt, betont das BAG. Die strukturell schwächere Stellung des Arbeitnehmers, aus der der EuGH die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bei der Inanspruchnahme von Urlaub ableitet, ende mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Bei einer verfassungs- und unionsrechtskonformen Anwendung der Verjährungsregelungen könne die Verjährungsfrist allerdings nicht beginnen, solange eine Klageerhebung aufgrund einer gegenteiligen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zumutbar ist. Vom Kläger habe bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 19.10.2015 nicht erwartet werden können, seinen Anspruch auf Abgeltung des bis dahin nicht gewährten Urlaubs aus den Jahren 2010 bis 2014 gerichtlich durchzusetzen. Das BAG sei zu diesem Zeitpunkt noch davon ausgegangen, dass Urlaubsansprüche mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums unabhängig von der Erfüllung von Mitwirkungsobliegenheiten automatisch verfielen. Erst nachdem der EuGH am 06.11.2018 neue Regeln für den Verfall von Urlaub vorgegeben hatte, sei der Kläger gehalten gewesen, Abgeltung für die Urlaubsjahre von 2010 bis 2014 gerichtlich geltend zu machen, betont das BAG.

Demgegenüber sei der Anspruch des Klägers auf Abgeltung von Urlaub aus dem Jahr 2015 verjährt, so das BAG weiter. Schon auf Grundlage der früheren Rechtsprechung habe er erkennen müssen, dass die Beklagte Urlaub aus diesem Jahr, in dem das Arbeitsverhältnis der Parteien endete, abzugelten hatte. Die dreijährige Verjährungsfrist habe deshalb Ende 2015 zu laufen begonnen und mit Ablauf des Jahres 2018 geendet. Der Kläger habe die Klage erst 2019 erhoben.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31.01.2023, 9 AZR 456/20