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01.02.2023

Ehrenamtlicher Bürgermeister: Kann zu Sonderbeiträgen an seine Partei verpflichtet sein

Eine politische Partei kann einen parteiangehörigen ehrenamtlichen Bürgermeister auf Grundlage ihrer Satzung auf Zahlung eines Teils seiner Aufwandsentschädigung als Sonderbeitrag (so genannter Amts- beziehungsweise Mandatsträgerbeitrag) gerichtlich in Anspruch nehmen. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Der Beklagte war bis November 2019 Mitglied des Klägers, einem rechtlich selbstständigen CDU-Kreisverband. 2015 wurde der Beklagte zum ehrenamtlichen Bürgermeister einer Gemeinde in Sachsen-Anhalt gewählt. Zur Wahl war er nicht als Kandidat des Klägers angetreten, sondern als Einzelkandidat ohne finanzielle oder personelle Unterstützung durch den Kläger. Für seine ehrenamtliche Tätigkeit erhielt er 765 Euro monatlich als Aufwandsentschädigung.

Der Kläger hat den Beklagten, gestützt auf § 6 Absatz 4 der Finanz- und Beitragsordnung der Satzung des CDU-Landesverbandes (: FBO CDU-LSA), auf Zahlung von Sonderbeiträgen von insgesamt 740,46 Euro für die Zeit von Januar 2018 bis November 2019 in Anspruch genommen. Er meint, die in der Satzung geregelten Sonderbeiträge könnten vor den ordentlichen Gerichten eingeklagt werden und der Beklagte sei zur Zahlung unabhängig davon verpflichtet, ob er bei der Wahl als Kandidat der Partei angetreten oder von dieser unterstützt worden sei.

Die Klage war in allen Instanzen erfolgreich. § 6 Absatz 4 FBO CDU-LSA begründe einen gerichtlich durchsetzbaren zivilrechtlichen Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Leistung der geltend gemachten Sonderbeiträge, so der BGH. Die Regelung sei als Satzungsbestimmung mit körperschaftsrechtlichem Charakter nach objektiven Gesichtspunkten auszulegen. Danach handele es sich bei den dort geregelten Sonderbeiträgen um keine freiwilligen Leistungen oder nicht einklagbare unvollkommene Verbindlichkeiten der Amts- und Mandatsträger, sondern um gerichtlich durchsetzbare Zahlungspflichten.

Die Pflicht des Beklagten zur Leistung der Sonderbeiträge nach § 6 Absatz 4 FBO CDU-LSA sei nicht an eine konkrete vorangegangene Unterstützung durch den Kläger/seine Partei bei der Bürgermeisterwahl geknüpft. Nach dem Wortlaut der Regelung folge die Pflicht vielmehr allein aus der Amts- oder Mandatsträgerstellung des Parteimitglieds. Sinn und Zweck der Regelung geböten keine andere Auslegung. Die Erhebung von Amts- und Mandatsträgerbeiträgen diene der Gewinnung von Einnahmen unter Berücksichtigung der durch die Parteimitgliedschaft vermittelten Vorteile. Diese Vorteile könnten aber nicht nur in einer konkreten finanziellen oder personellen Unterstützung durch die Partei bei der jeweiligen Kandidatur bestehen. Vielmehr könnten auch ohne unmittelbaren Zusammenhang mit einer konkreten Wahl gegebenenfalls richtungsweisende Unterstützungshandlungen durch die Partei erfolgt sein. Darüber hinaus könne auch ein Kandidat, der sein Amt ohne konkrete Unterstützung durch die Partei erlangt hat, gleichwohl als langjähriges Parteimitglied von wahlberechtigten Bürgern als solches wahrgenommen worden sein oder aufgrund seiner bekannten Parteizugehörigkeit bestimmte Stammwähler angesprochen haben, ohne dass diese Förderung und ihre (Mit-) Ursächlichkeit für seine Wahl quantifizierbar wären.

Verfassungsrechtlich begegne die Erhebung eines Sonderbeitrags nach § 6 Absatz 4 FBO CDU-LSA von einem ehrenamtlichen Bürgermeister gemäß § 96 Absatz 3 Satz 1 Kommunalverfassungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (KVG LSA) keinen Bedenken, so der BGH weiter. Der in Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) verankerte Grundsatz des freien Mandats sei auf kommunale Mandatsträger nicht uneingeschränkt übertragbar. Für Angehörige kommunaler Vertretungskörperschaften werde die Freiheit des Mandats verfassungsrechtlich vielmehr aus Artikel 28 Absatz 1 Satz 2 GG abgeleitet und sei für ehrenamtliche Mitglieder der Kommunalvertretung in § 43 Absatz 1 KVG LSA einfachgesetzlich geregelt. Unabhängig davon, ob und inwieweit diese Mandatsfreiheit überhaupt für einen ehrenamtlichen Bürgermeister (gegebenenfalls für seine Tätigkeit im Gemeinderat) gilt, würde sie jedenfalls durch die Erhebung des Sonderbeitrags nicht verletzt. Da § 6 Absatz 4 CDU-LSA nicht an die inhaltliche Ausübung des jeweiligen Amts oder Mandats anknüpft, habe er keine die Freiheit des Mandats beeinträchtigende "Steuerungsfunktion".

Der Rechtsgedanke des in Artikel 48 Absatz 3 Satz 1 GG verankerten Gebots einer angemessenen Entschädigung der Abgeordneten zur Sicherung ihrer finanziellen Unabhängigkeit stehe der Sonderbeitragsregelung ebenfalls nicht entgegen, weil ehrenamtlich Tätige nach § 35 Absatz 1 und 2 KVG LSA anders als Abgeordnete des Bundestages keine Alimentation zur Sicherung ihres Lebensunterhalts erhielten, sondern nur Ersatz ihres Verdienstausfalls und ihrer Auslagen beziehungsweise eine pauschalierte Aufwandsentschädigung. Da die Aufwandsentschädigung mit ihrer Leistung in das private Vermögen des Amts- oder Mandatsträgers übergeht, liege in der Entrichtung eines Teils dieser Entschädigung als Sonderbeitrag an die Partei auch keine verfassungswidrige indirekte staatliche Parteienfinanzierung. Schließlich sei die Erhebung von Sonderbeiträgen von ehrenamtlichen kommunalen Amts- und Mandatsträgern nach § 6 Absatz 4 FBO CDU-LSA auch mit dem aus Artikel 21 Absatz 1 Satz 3 GG folgenden innerparteilichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar, weil sie durch die oben dargelegte Möglichkeit der Unterstützung des Amts- und Mandatsträgers durch dessen Partei sachlich gerechtfertigt ist. Die Höhe der in § 6 Absatz 4 FBO CDU-LSA festgelegten Sonderbeiträge für ehrenamtliche kommunale Amts- und Mandatsträger sei unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ebenfalls nicht zu beanstanden.

Ein Verstoß gegen das in § 35 Absatz 3 KVG LSA enthaltene Übertragungs- und Verzichtsverbot liegt laut BGH nicht vor. Die Regelung betreffe nur das Verhältnis der Kommune zum Empfänger der Entschädigung. Ist die Entschädigung mit ihrer Leistung durch die Kommune in das Vermögen des Empfängers übergegangen, stehe diesem die weitere Verwendung der Mittel frei.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 31.01.2023, II ZR 144/21