23.01.2020
Gesetzliche Krankenversicherung: Belastungsgrenze für Zuzahlungen richtet sich bei nichtehelicher Lebensgemeinschaft nicht nach Familiengesamteinkommen
Die Belastungsgrenze für Zuzahlungen in der gesetzlichen Krankenversicherung ist bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht unter Zugrundelegung des so genannten Familiengesamteinkommens zu berechnen. Dies stellt das Sozialgericht (SG) Karlsruhe klar.
Die Klägerin begehrt die Festsetzung einer niedrigeren Belastungsgrenze für Zuzahlungen zu Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2016. Die über eigenes Einkommen verfügende Klägerin lebt mit ihrem erwerbsunfähigen, einkommenslosen Partner in nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Die beklagte Krankenkasse hat die Belastungsgrenze der Klägerin für das Jahr 2016 nur auf der Grundlage deren eigenen Einkommens berechnet (§ 62 Absatz 1 Sozialgesetzbuch V - SGB V). Die Klägerin begehrt hingegen eine - für sie günstigere - Berechnung unter Zugrundelegung des so genannten Familiengesamteinkommens nach § 62 Absatz 2 SGB V, wonach für alle Haushaltsmitglieder eine einheitliche Belastungsgrenze auf der Grundlage des insgesamt verfügbaren Einkommens zu bilden ist, auf die zugleich die Zuzahlungen aller Haushaltsmitglieder angerechnet werden. Die Beklagte lehnt dies ab, weil die Regelung des § 62 Absatz 2 SGB V nur auf Eheleute und eingetragene Lebenspartner anwendbar sei.
Die Klage vor dem SG Karlsruhe hatte keinen Erfolg. Der Anwendungsbereich des § 62 Absatz 2 SGB V sei nach dem Wortlaut auf Eheleute und eingetragene Lebenspartner begrenzt. Dies sei auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz) vereinbar. Die Vorschrift des § 62 Absatz 2 SGB V knüpfe gedanklich daran an, dass unter Eheleuten und eingetragenen Lebenspartnern gesetzliche Unterhaltspflichten bestünden, die eine gleichmäßige Einkommensverteilung gewährleisteten. In nichtehelichen Lebensgemeinschaften bestünden jedoch keine einklagbaren Einstandspflichten.
Es bestünden dort auch keine zumindest unterhaltsähnlichen Pflichten, wenn - wie vorliegend - die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft eine sozialhilferechtliche Bedarfsgemeinschaft bildeten, hebt das SG hervor. Denn den wirtschaftlich leistungsfähigen Partner treffe keine Rechtspflicht zur Versorgung des anderen. Seine Weigerung zur Versorgung des bedürftigen Partners habe auch nicht automatisch zur Folge, dass der Sozialhilfeträger vorläufig Leistungen erbringe und ihn in der Folge in Regress nehme. Im Übrigen wirke sich die Regelung des § 62 Absatz 2 SGB V für Eheleute nicht nur positiv aus. Nachteilig sei sie etwa, wenn ein gesetzlich Versicherter mit einem Privatversicherten mit hohem Einkommen verheiratet sei. Denn die Belastungsgrenze des gesetzlich versicherten Ehepartners sei dann ebenfalls nach dem Einkommen beider Eheleute zu bestimmen, obwohl Aufwendungen des privatversicherten Partners (zum Beispiel Beihilfe-Eigenanteile) nicht auf die Gesamt-Belastungsgrenze anrechenbar seien.
Sozialgericht Karlsruhe, Urteil vom 20.09.2019, S 6 KR 3579/17, nicht rechtskräftig