21.10.2021
Lieferung und Montage eines Kurventreppenlifts: Verbraucher über Widerrufsrecht zu informieren
Verbraucher sind über das ihnen zustehende Widerrufsrecht zu informieren, wenn sie außerhalb von Geschäftsräumen einen Vertrag über die Lieferung und Montage eines Kurventreppenlifts abschließen, für den eine passende Laufschiene angefertigt und in das Treppenhaus des Kunden eingepasst werden muss. Dies stellt der Bundesgerichtshof (BGH) auf die Klage einer Verbraucherzentrale klar.
Die Beklagte vertreibt Kurventreppenlifte. Dabei handelt es sich um Treppenlifte mit Schienen, die individuell an die im Treppenhaus zu befahrenden Kurven angepasst werden. Die Beklagte teilt Verbrauchern bezüglich der Kurventreppenlifte mit, dass – außer für ein bestimmtes Modell – kein gesetzliches Widerrufsrecht bestehe. Die Klägerin meint, dass ein Widerrufsrecht bestehe und sieht in dem Verhalten der Beklagten einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Sie nimmt die Beklagte deshalb auf Unterlassung in Anspruch.
Nachdem die Klage zunächst erfolglos geblieben war, hat der BGH die Beklagte dem Klageantrag entsprechend zur Unterlassung verurteilt. Die Werbung der Beklagten mit der Angabe, im Fall eines Kurventreppenlifts mit individuell geformten und an die Gegebenheiten vor Ort angepassten Laufschienen bestehe kein Widerrufsrecht des Verbrauchers, begründe eine Erstbegehungsgefahr für einen Verstoß gegen die als Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 3a des Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) einzustufenden Vorschriften des § 312d Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und des Artikels 246a Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 des Einführungsgesetzes zum BGB (EGBGB), nach denen über das nach § 312g Absatz 1 BGB bestehende Widerrufsrecht zu informieren ist.
Das Widerrufsrecht des Verbrauchers nach § 312g Absatz 1 BGB sei im Streitfall nicht gemäß § 312g Absatz 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen. Der Begriff der "Verträge zur Lieferung von Waren" im Sinne dieser Vorschrift sei mit Blick auf Artikel 16c der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher dahingehend richtlinienkonform auszulegen, so der BGH, dass dazu Kaufverträge (§ 433 BGB) und Werklieferungsverträge (§ 650 BGB), aber weder Dienstverträge (§ 611 BGB) noch – jedenfalls im Regelfall – Werkverträge (§ 631 BGB) zählen. Die im Streitfall erfolgte Werbung sei auf den Abschluss eines § 312g Absatz 2 Nr. 1 BGB nicht unterfallenden Werkvertrags gerichtet.
Für die Abgrenzung von Kauf- und Werklieferungsverträgen einerseits und Werkverträgen andererseits komme es darauf an, auf welcher der Leistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liegt. Im Streitfall liege der Schwerpunkt des angestrebten Vertrags nicht auf der mit dem Warenumsatz verbundenen Übertragung von Eigentum und Besitz am zu liefernden Treppenlift, sondern auf der Herstellung eines funktionstauglichen Werks, das zu einem wesentlichen Teil in der Anfertigung einer passenden Laufschiene und ihrer Einpassung in das Treppenhaus des Kunden besteht. Auch der hierfür, an den individuellen Anforderungen des Bestellers ausgerichtete erforderliche Aufwand spreche für das Vorliegen eines Werkvertrags. Bei der Bestellung eines Kurventreppenlifts, der durch eine individuell erstellte Laufschiene auf die Wohnverhältnisse des Kunden zugeschnitten wird, stehe für den Kunden nicht die Übereignung, sondern der Einbau des Lifts als funktionsfähige Einheit im Vordergrund, für dessen Verwirklichung die Lieferung der Einzelteile einen zwar notwendigen, aber untergeordneten Zwischenschritt darstellt.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.10.2021, I ZR 96/20 – Kurventreppenlift