25.02.2025
Pflicht zum Nachweis einer COVID-19-Impfung: Unzulässige Richtervorlage
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Unzulässigkeit einer Richtervorlage zu § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG) festgestellt. Die Vorlage betrifft die Frage, ob die Norm – die die auf bestimmte Einrichtungen und Unternehmen bezogene grundsätzliche Pflicht zum Gegenstand hatte, eine COVID-19-Schutzimpfung oder eine Genesung von der COVID-19-Krankheit nachzuweisen – im Zeitraum vom 07.11. bis 31.12.2022 mit dem Grundgesetz vereinbar war.
Das Vorlagegericht meint, § 20a IfSG sei im Laufe des Jahres 2022 in die Verfassungswidrigkeit hineingewachsen. Insofern hätten sich nach einem Beschluss des BVerfG vom 27.04.2022, mit dem es eine gegen § 20a IfSG in der auch hier maßgeblichen Fassung gerichtete Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen hat, neue Tatsachen ergeben. Insbesondere seien die Einschätzungen des Robert Koch-Instituts (RKI) zum durch eine Impfung vermittelten Übertragungsschutz wissenschaftlich nicht belastbar gewesen. Der vorgelegten Regelung habe es jedenfalls ab Mitte 2022, spätestens ab Oktober 2022, an der Eignung gefehlt, Leben und Gesundheit vulnerabler Personen zu schützen.
Der Vorlage liegt ein infektionsschutzrechtliches Tätigkeitsverbot zugrunde. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist in einem Krankenhaus als Pflegehelferin beschäftigt. Da sie ihrem Arbeitgeber im Jahr 2022 keinen Immunitätsnachweis bezüglich des Coronavirus vorgelegt hatte, informierte dieser die zuständige Behörde. Nach mehreren Anhörungen verfügte diese auf Grundlage von § 20a Absatz 5 Satz 3 IfSG ein temporäres Tätigkeitsverbot gegen die Klägerin. Dagegen hat sie Klage vor dem vorlegenden VG erhoben.
Das BVerfG hält die Vorlage für unzulässig. Das Vorlagegericht habe seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügend begründet.
Für die verfassungsrechtliche Schlussfolgerung, § 20a IfSG sei spätestens ab Oktober 2022 unter der Omikronvariante nicht mehr geeignet gewesen, dem Schutz vulnerabler Personen zu dienen, fehle es schon an widerspruchsfreien Feststellungen. Denn das Vorlagegericht gehe selbst von einem vorhandenen Übertragungsschutz aus, den die Impfung auch im Jahr 2022 weiterhin vermittelt habe. Dass dieser reduziert gewesen sein soll, könne von vornherein nicht die Geeignetheit im verfassungsrechtlichen Sinne infrage stellen, so das BVerfG.
So gehe das Vorlagegericht davon aus, dass der durch die Impfung vermittelte Fremdschutz nach Auftreten der Omikronvariante nur in geringem Maß gegeben gewesen sei. Damit bringe es seine Überzeugung von einem impfinduzierten Fremdschutz zum Ausdruck. Vor diesem Hintergrund sei es nicht nachvollziehbar, wie das VG zur Schlussfolgerung einer gänzlich fehlenden Eignung der Impfung als Instrument zur Reduzierung von Übertragungswahrscheinlichkeiten gelangt.
Das Vorlagegericht habe sich auch mit der Entscheidung des BVerfG zur Vorlagenorm nicht inhaltlich befasst. Das BVerfG habe darin nämlich ausdrücklich gewürdigt, dass der über eine Impfung (oder Genesung) vermittelte Immunschutz über die Zeit abnimmt. Mit den Einschätzungen der Ständigen Impfkommission, den Beurteilungen des Paul-Ehrlich-Instituts, den im Gesetzgebungsverfahren eingeholten Expertenmeinungen und einer Vielzahl fachkundiger Stellungnahmen im Verfassungsbeschwerdeverfahren befasse sich das vorlegende Gericht nicht, rügen die Verfassungsrichter. Damit führe es auch nicht aus, warum die ursprünglichen Annahmen des Gesetzgebers im Laufe des Jahres 2022 die durch § 20a IfSG geschaffenen Grundrechtseinschränkungen nicht mehr getragen haben könnten.
Vielmehr habe sich das Vorlagegericht von vornherein weiteren – fachwissenschaftlichen – Einschätzungen verschlossen, soweit es dem Gesetzgeber vorwirft, sich uneingeschränkt auf das RKI verlassen zu haben. Feststellungen zur fachwissenschaftlichen Erkenntnislage betreffend den durch eine Impfung vermittelten Übertragungsschutz im Jahr 2022 fehlten, obwohl sich das VG hierzu aus Sicht des BVerfG gedrängt sehen musste. So sei im Rahmen der im Fachgerichtsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme auf die Studienlage in diesem Jahr hingewiesen worden, nach der die Übertragungswahrscheinlichkeit durch aufgefrischt geimpfte Personen um rund 20 Prozent niedriger gewesen sei als diejenige bei ungeimpften Personen.
Die Erforderlichkeit stelle das Vorlagegericht in Abrede, weil regelmäßige Testungen des Pflegepersonals milder und gleich geeignet gewesen seien. Eine verständliche Begründung, inwiefern "regelmäßige" Testungen in jeder Hinsicht einer Pflicht zum Führen eines Impf- oder Genesenennachweises eindeutig gleichwertig sein sollen, fehle jedoch vollständig, so das BVerfG abschließend.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 29.01.2025, 1 BvL 9/24