24.02.2025
Fristsachen: Rechtsprechung zu anwaltlichen Kontrollpflichten geändert
Ein Rechtsanwalt hat den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen immer dann eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung, vorgelegt werden. In diesem Fall muss er auch alle weiteren unerledigten Fristen einschließlich ihrer Notierung in den Handakten prüfen. Dabei darf er sich grundsätzlich auf die Prüfung der Vermerke in der Handakte beschränken, sofern sich keine Zweifel an deren Richtigkeit aufdrängen, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 17.05.2023, XII ZB 533/22 und vom 19.10.2022, XII ZB 113/21) zur Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts in Fristsachen entschieden hat.
Drängen sich solche Zweifel nicht auf, brauche der Rechtsanwalt demnach nicht noch zusätzlich zu überprüfen, ob das Fristende auch tatsächlich korrekt im Fristenkalender eingetragen ist, so der Sechste Senat des BAG. Der Erste, Dritte, Achte und Neunte Senat des BAG haben auf Anfrage des Sechsten Senats mitgeteilt, dass auch sie sich dieser Rechtsauffassung anschließen beziehungsweise an einer etwaig abweichenden Rechtsauffassung nicht festhalten.
Damit hatte ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Bezug auf eine versäumte Revisionsbegründungsfrist vor dem Sechsten Senat des BAG Erfolg. Der Kläger sei ohne sein Verschulden daran gehindert gewesen, die Frist zur Begründung der Revision einzuhalten. Ein ihm zuzurechnendes Verschulden seines Prozessbevollmächtigten habe nicht vorgelegen. Dieser habe auf der Grundlage der ihm vorgelegten Handakten jeweils die Fristwahrung kontrolliert. Eine über die glaubhaft gemachte ausreichende Kanzleiorganisation hinausgehende Pflicht zur eigenständigen Kontrolle des von der Rechtsanwaltsfachangestellten geführten Fristenkalenders durch den Prozessbevollmächtigten bestand laut BAG nicht.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.02.2025, 6 AZR 155/23