05.12.2024
Elternunterhalt: Zur Höhe des angemessenen Selbstbehalts
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich erneut mit der Frage befasst, in welchem Umfang Kinder im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit (§ 1603 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch) zu Unterhaltsleistungen für ihre Eltern herangezogen werden können.
Ab welchem Jahreseinkommen muss ein Kind für den Unterhalt seiner Eltern aufkommen? Diese Frage stellte sich im Fall einer pflegebedürftigen Frau, die in einer vollstationären Pflegeeinrichtung untergebracht war, deren Kosten sie nicht vollständig mit eigenen Mittel decken konnte. Der Sozialhilfeträger wollte deswegen ihren Sohn in Anspruch nehmen. Dieser bewohnte im fraglichen Zeitraum mit seiner nicht erwerbstätigen Ehefrau und zwei volljährigen Kindern ein den Ehegatten gehörendes Einfamilienhaus. Sein Jahresbruttoeinkommen belief sich auf gut 133.000 Euro.
In erster und zweiter Instanz lehnten die Gerichte eine Zahlungspflicht des Sohnes ab. Das Oberlandesgericht (OLG) hat sein Bruttoeinkommen um Steuern und Sozialabgaben, Unterhaltspflichten für eines der volljährigen Kinder, berufsbedingte Aufwendungen, Versicherungen sowie Altersvorsorgeaufwendungen bereinigt ihn daher für nicht leistungsfähig gehalten.
Der BGH sah dies anders. Er hat die Entscheidung des OLG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Die vom OLG für angemessen erachtete Ausrichtung des Mindestselbstbehalts an der Einkommensgrenze des durch das Angehörigen-Entlastungsgesetz vom Dezember 2019 eingeführten § 94 Absatz 1a Sozialgesetzbuch XII (SGB XII) beruhe auf einem unterhaltsrechtlich systemfremden Bemessungsansatz, der rechtsfehlerhaft sei und in dieser Form auch nicht mit gesetzlichen Wertungen gerechtfertigt werden könne.
Der Gesetzgeber habe bewusst darauf verzichtet, die bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflichten der Kinder gegenüber ihren hilfebedürftig gewordenen Eltern zu ändern. Der Umfang der sozialhilferechtlichen Rückgriffsmöglichkeiten könne grundsätzlich nicht für den Umfang der zivilrechtlichen Unterhaltspflicht maßgeblich sein, betont der BGH. Dem Angehörigen-Entlastungsgesetz könne keine gesetzgeberische Wertung entnommen werden, die gebieten würde, den unterhaltspflichtigen Kindern Freibeträge zu gewähren, mit denen der zivilrechtliche Unterhaltsanspruch der Eltern gegenüber Kindern mit einem Jahresbruttoeinkommen von 100.000 Euro schon im Vorfeld des Regressverzichts regelmäßig an der mangelnden unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit scheitern müsste.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.10.2024, XII ZB 6/24