22.02.2024
Google gegen Bundeskartellamt: BGH erlaubt Offenlegung von Google-Interna an Konkurrenten
Zur Aufklärung, ob Google seine Marktmacht missbraucht, darf das Bundeskartellamt in einem Kartellverwaltungsverfahren bestimmte vertrauliche Informationen, die Google als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ansieht, gegenüber anderen Verfahrensbeteiligten offenlegen. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.
Das Bundeskartellamt versandte im Juni 2023 eine vorläufige rechtliche Einschätzung an Alphabet Inc., Mountain View, USA, und Google Germany GmbH, Hamburg, zu Googles Praktiken im Zusammenhang mit den Google Automotive Services (GAS). Das Amt beabsichtigt, Google unter Anwendung der neuen Vorschriften für Digitalkonzerne (§ 19a des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen – GWB), verschiedene wettbewerbsgefährdende Verhaltensweisen zu untersagen.
Die GAS sind ein Produktbündel, das Google Fahrzeugherstellern zur Lizenzierung anbietet. Es umfasst den Kartendienst Google Maps, eine Version des App-Stores Google Play und den Sprachassistenten Google Assistant. Google bietet Fahrzeugherstellern die Dienste grundsätzlich nur als Bündel an und macht nach Auffassung des Bundeskartellamts weitere Vorgaben für die Präsentation dieser Dienste im Infotainmentsystem des jeweiligen Fahrzeugherstellers, damit diese bevorzugt genutzt werden.
Nach vorläufiger Einschätzung des Kartellamtes erfüllt Googles Verhalten die Voraussetzungen mehrerer Tatbestände des § 19a Absatz 2 GWB, auf dessen Grundlage Unternehmen mit marktübergreifender Bedeutung gemäß § 19a Absatz 1 GWB verpflichtet werden können, die jeweiligen Praktiken zu beenden, sofern sie nicht sachlich gerechtfertigt sind.
Das Amt beabsichtigt, seine vorläufige Einschätzung zu Googles Praktiken gegenüber zwei am Verfahren beteiligten Wettbewerbern Googles in teilgeschwärzter Fassung offenzulegen, damit diese zu den wettbewerblichen Bedenken Stellung nehmen können. Google beanstandet die Schwärzungen als unzureichend, weil damit Wettbewerber Kenntnis von Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Googles erhalten würden.
Google hat gegen die Offenlegung bestimmter im Einzelnen bezeichneter Textpassagen Beschwerde beim Bundeskartellamt eingelegt. Dieses hat die Beschwerde, nachdem es ihr nicht abgeholfen hat, dem BGH zur Entscheidung vorgelegt. Das Bundeskartellamt und Google haben sich hinsichtlich einiger Textpassagen bereits vor der mündlichen Verhandlung vor dem BGH und hinsichtlich weiterer, aber nicht aller in Streit stehender Textpassagen in der mündlichen Verhandlung geeinigt.
Der BGH hat der Beschwerde hinsichtlich eines einzelnen aus internen Unterlagen Googles stammenden wörtlichen Zitats stattgegeben und sie im Übrigen zurückgewiesen. Die Zurückweisung betrifft insbesondere neben Bewertungen der Strategie Googles durch das Bundeskartellamt auch die wörtliche Wiedergabe einzelner Klauseln aus Verträgen Googles mit Fahrzeugherstellern.
Die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gegenüber am Verfahren beteiligten Wettbewerbern zu Ermittlungszwecken sowie zur Wahrung ihrer Verfahrensrechte komme in Betracht, wenn der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt wird, so der BGH. Die Offenlegung gegenüber den Wettbewerbern müsse zur Sachaufklärung geeignet, erforderlich und angemessen sein. Angemessen sei sie, wenn bei der vorzunehmenden Interessenabwägung das Sachaufklärungsinteresse des Bundeskartellamts das Interesse an der Wahrung der grundrechtlich geschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse überwiegt. Dabei sei zunächst zu ermitteln, welches Gewicht den konkreten Nachteilen, die durch die Offenlegung drohen, und dem Sachaufklärungsinteresse jeweils zukommt. Zu berücksichtigen sei ferner das Interesse des Bundeskartellamts und der am Verfahren beteiligten Wettbewerber an der Wahrung des rechtlichen Gehörs.
Bei den noch in Streit stehenden Textpassagen handelte es sich laut BGH – mit der oben genannten Ausnahme – entweder bereits nicht um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse Googles, oder das Sachaufklärungsinteresse des Bundeskartellamts habe das Geheimhaltungsinteresse Googles überwogen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.02.2024, KVB 69/23