22.12.2023
Mutter eines Wanderarbeitnehmers aus der EU: Antrag auf Sozialhilfeleistungen stellt Aufenthaltsrecht nicht in Frage
Freizügigkeit: Die Mutter eines Wanderarbeitnehmers aus der EU kann, wenn ihr durch diesen Unterhalt gewährt wird, Sozialhilfeleistungen beantragen, ohne dass dadurch ihr Aufenthaltsrecht in Frage gestellt wird. Dies stellt der Europäische Gerichtshof (EuGH) klar.
Eine rumänische Staatsangehörige ist die Mutter einer rumänischen und irischen Staatsangehörigen, die in Irland wohnt und dort arbeitet. Die Mutter zog 2017 ihrer Tochter nach Irland hinterher und hält sich dort seither als Verwandte in gerader aufsteigender Linie einer Arbeitnehmerin mit Unionsbürgerschaft rechtmäßig auf.
Im Jahr 2017 verschlechterte sich der Gesundheitszustand der Mutter. Daher stellte sie nach irischem Recht einen Antrag auf Gewährung von Invaliditätsbeihilfe. Dieser Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass die Mutter im Fall der Beihilfegewährung nicht mehr von ihrer Tochter unterhalten würde, sondern die irischen Sozialhilfeleistungen unangemessen in Anspruch nähme und somit ihr Aufenthaltsrecht verlieren würde.
Ein irisches Gericht möchte vom EuGH wissen, ob das Unionsrecht dieser Ablehnung entgegensteht. Der Gerichtshof bejaht dies. Ein Verwandter in gerader aufsteigender Linie, dem von einem Arbeitnehmer mit Unionsbürgerschaft Unterhalt gewährt wird, sei mittelbarer Nutznießer der diesem Arbeitnehmer zuerkannten Gleichbehandlung. Wenn man diesem Verwandten in gerader aufsteigender Linie eine Sozialhilfeleistung, die für den Wanderarbeitnehmer eine "soziale Vergünstigung" darstellt, versagte, wäre dieser Wanderarbeitnehmer in seinem Recht auf Gleichbehandlung verletzt.
Die Eigenschaft als Verwandter in aufsteigender Linie, dem "Unterhalt gewährt" wird, dürfe durch die Gewährung einer Sozialhilfeleistung im Aufnahmemitgliedstaat nicht berührt werden, so der EuGH. Andernfalls könnte die Gewährung einer solchen Leistung dem Betroffenen die Eigenschaft eines Familienangehörigen, dem Unterhalt gewährt wird, nehmen und folglich die Streichung dieser Leistung oder sogar den Verlust seines Aufenthaltsrechts rechtfertigen. Eine solche Lösung würde es in der Praxis dem Familienangehörigen, dem Unterhalt gewährt wird, verbieten, diese Leistung zu beantragen.
Da der Wanderarbeitnehmer im Rahmen seiner unselbstständigen Erwerbstätigkeit Abgaben an den Aufnahmemitgliedstaat entrichtet, trage er zur Finanzierung der sozialpolitischen Maßnahmen dieses Mitgliedstaats bei. Er müsse davon daher unter den gleichen Bedingungen profitieren können wie die inländischen Arbeitnehmer. Daher könne das Ziel, eine übermäßige finanzielle Belastung für den Aufnahmemitgliedstaat zu vermeiden, eine Ungleichbehandlung von Wanderarbeitnehmern und inländischen Arbeitnehmern nicht rechtfertigen
Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 21.12.2023, C-488/21