08.11.2023
Wachstumschancengesetz: Angst vor massiven Steuerausfällen der Kommunen
Die führenden Wirtschaftsverbände haben die meisten Maßnahmen in dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Wachstumschancengesetzes (BT-Drs. 20/8628) begrüßt. Vertreter von Städten und Gemeinden warnten jedoch in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am 06.11.2023 zu den unternehmenssteuerrechtlichen Teilen des Entwurfs vor massiven Steuerausfällen der Kommunen.
Mit dem Wachstumschancengesetz soll die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gestärkt werden. Dazu soll eine Investitionsprämie zur Förderung der Transformation der Wirtschaft eingeführt werden. Unternehmen sollen Zuschüsse in Höhe von 15 Prozent der Aufwendungen für Energieeffizienzmaßnahmen erhalten. Die steuerliche Forschungsförderung soll verbessert werden.
Außerdem will die Regierung das Steuersystem vereinfachen und modernisieren. Vorgesehen ist unter anderem eine befristete Wiedereinführung der degressiven Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter sowie für Wohngebäude. Verbesserungen sind auch beim steuerlichen Verlustabzug vorgesehen. Die Grenze für die Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter soll auf 1.000 Euro erhöht werden.
Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände bat den Finanzausschuss eindringlich, die drohenden massiven Steuerausfälle der Kommunen abzuwenden. Den Kommunen drohten Steuerausfälle in Höhe von 3,3 Milliarden Euro im Jahr. Das sei inakzeptabel. Zusammen mit anderen Maßnahmen seien sogar Steuerausfälle von 5,85 Milliarden Euro im Jahr 2024 zu befürchten. Dadurch werde die kommunale Investitionstätigkeit gebremst. Klimaschutz, Wärmewende, Wohnungsbau und der Ausbau von Schul- und Kitaplätzen könnten zukünftig deutlich langsamer vorankommen.
Auch die Kölner Stadtkämmerin Dörte Diemert kritisierte, der Gesetzentwurf gehe mit erheblichen Steuerausfällen für die kommunale Seite einher. Die Ausfälle müssten vom Bund kompensiert werden, forderte sie.
Dagegen begrüßten die Spitzenverbände der Wirtschaft in ihrer gemeinsamen Stellungnahme das Wachstumschancengesetz, das eine Reihe wichtiger und überfälliger Maßnahmen enthalte. Damit könnten die steuerlichen Rahmenbedingungen des Wirtschaftsstandortes Deutschland verbessert werden. Das sei auch wichtig, weil sich die gesamtwirtschaftlichen Rahmendaten für 2023 nochmals verschlechtert hätten. Positiv beurteilten die Spitzenverbände die Verbesserungen bei der Verlustverrechnung, die Verbesserung der steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung, die Erhöhung der Grenzen für Sofortabschreibungen bei geringwertigen Wirtschaftsgütern sowie verbesserte Sonderabschreibungen.
Der Verband forschender Arzneimittelhersteller nannte es grundsätzlich richtig, Maßnahmen für die Stärkung der Investitionstätigkeit zu ergreifen. Durch das Gesetz werde die Investitionstätigkeit der Unternehmen um elf Milliarden Euro angeschoben. Die Verbesserung der Forschungsförderung stärke die Innovationskraft im Land.
Abgelehnt wurde von den Wirtschaftsverbänden hingegen die vorgesehene deutliche Verschärfung der Zinsschranke sowie die Einführung einer Zinshöhenschranke. Dies sei "kontraproduktiv". Verlangt wurde außerdem eine Senkung der Stromsteuer. Dieser Forderung schloss sich der Zentralverband des deutschen Handwerks an. Die Strom- und Energiepreise in Deutschland seien nicht wettbewerbsfähig. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer sprach sich für eine Senkung der im internationalen Vergleich viel zu hohen Unternehmenssteuern aus. Das Wachstumsgesetz sei nicht das, was man sich unter einer großen Reform vorstelle.
Wie die Wirtschaftsverbände kritisierte auch die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) die Einführung der Zinshöhenschranke. Diese bedeute, dass Unternehmen Kosten nur noch zu einem geringen Teil steuerlich abziehen könnten. "Wie sich eine solche Maßnahme unter den Titel eines Wachstumschancengesetzes fassen lässt, ist nicht ersichtlich", kritisierte die BStBK. Außerdem enthalte der Entwurf mit der Einführung von Meldepflichten regelrechte "Bürokratiemonster".
Dagegen sprach sich Lorenz Jarass, Professor an der Hochschule RheinMain, für die Zinsschranken-Regelungen aus, weil dadurch Steueroptimierung und Steuervermeidung vermieden werden könnten. Die vorgesehenen Erweiterungen bei der Verlustverrechnung lehnte er ab. Kritisch äußerte sich Jarass auch zu den Anhebungen von Freigrenzen, zum Beispiel für Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften. Hier seien derzeit 600 Euro pro Kalenderjahr steuerfrei. Der Betrag soll ab 2024 auf 1.000 Euro erhöht werden. Laut Jarass ermöglicht die Erhöhung der Freigrenze eine verstärkte Steuervermeidung und sei deshalb abzulehnen. Dies gelte auch für die für Vermietungseinnahmen, die bis zu 1.000 Euro steuerfrei bleiben sollen.
Dagegen begrüßte Professor Heribert Anzinger von der Universität Ulm die Einführung der Freigrenzen, die insbesondere bei Gelegenheitsvermietungen über Internetportale eine Kriminalisierung verhindern könnten. Allerdings stelle sich die Frage, warum keine einheitliche Freigrenze für alle Einkunftsarten geschaffen werde. Dadurch könnte die Finanzverwaltung erheblich entlastet werden. Anzinger verwies auf den Fall eines jugendlichen Krypto-Miners mit wenigen hundert Euro Jahreseinnahmen, der nach jetzigem Recht mit den Mitteln des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts verfolgt werden müsse, weil seine Tätigkeit als gewerbliche Betätigung einzustufen sei.
Professor Roland Ismer (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) nannte die in dem Entwurf enthaltene Klimaschutz-Investitionsprämie ein Projekt von "zentraler Bedeutung für die Transformation der Wirtschaft, die jetzt ansteht". Rechtlich sei die Prämie schwierig, weil es Probleme mit dem unionsrechtlichen Beihilfeverbot geben könne. Es müsse eine Regelung gefunden werden, damit es nicht zu Rückforderungen der Prämie kommen könne.
Uwe Zimmermann vom Deutschen Städte- und Gemeindebund regte an, die Zahlung der Klimaschutz-Investitionsprämie auch auf Eigenbetriebe der Kommunen auszudehnen. Das wäre ein wichtiger Baustein für den Klimaschutz auf kommunaler Ebene. Das Handwerk nannte die Klimaschutzprämie grundsätzlich richtig, forderte jedoch Nachbesserungen für kleine Unternehmen. So drohe die Pflicht zur Einschaltung von Energieberatern zu einem "Flaschenhals" zu werden. Es gebe bundesweit nur 5.000 Energieberater, aber rund eine Million Handwerksbetriebe.
Deutscher Bundestag, PM vom 06.11.2023