26.10.2023
Mercedes-Benz Group AG: Wegen Einbaus unzulässiger Abschalteinrichtung in Diesel-Fahrzeug schadensersatzpflichtig
Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat in einem Dieselverfahren die Mercedes-Benz Group AG erstmals wegen der Verwendung der so genannten Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung (KSR) als unzulässiger Abschalteinrichtung zur Zahlung eines Differenzschadensersatzes verurteilt.
Das OLG geht auf Basis des eigenen Vortrages der Beklagten davon aus, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit dem Motortyp OM 642 und der Abgasnorm Euro 5 im Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger über zwei unzulässige Abschalteinrichtungen verfügte: Ein so genanntes Thermofenster und die KSR.
Mit Blick auf das Thermofenster hat das OLG dabei ein schuldhaftes Verhalten der Beklagten verneint, weil er der Überzeugung war, dass sich die für die Beklagte handelnden Personen insoweit in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden hatten. Seine Überzeugung stützte das OLG unter anderem darauf, dass Thermofenster herstellerübergreifend flächendeckend in Dieselfahrzeugen zum Einsatz gekommen waren und das Kraftfahrt-Bundesamt in Kenntnis hiervon dies in jahrelanger Genehmigungspraxis jedenfalls noch bis ins Jahr 2020 nicht beanstandet hatte.
In Bezug auf die KSR konnte sich das OLG hingegen keine entsprechende Überzeugung bilden. Einen beachtlichen Rechtsirrtum über die Zulässigkeit der KSR habe die Beklagte schon nicht dargelegt, zumal sich diese hinsichtlich der KSR nicht auf einen vergleichbaren Vertrauenstatbestand wie beim Thermofenster stützen könne.
DAs OLG hat daher unter Berücksichtigung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 21.03.2023 (C 100/21) sowie des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 26.06.2023 (VIa ZR 335/21, VIa ZR 533/21 und VIa ZR 1031/22) entschieden, dass dem Kläger aus § 823 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch in Verbindung mit §§ 6 Absatz 1, 27 Absatz 1 der Verordnung über die EG-Genehmigung für Kraftfahrzeuge ein Schadensersatzanspruch zusteht, der sich hier auf einen Betrag von 254,28 Euro beläuft. Die weitergehende Berufung des Klägers wies das OLG zurück.
Dieser muss die gesamten Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen tragen. Hintergrund ist laut OLG, dass das bereits gebraucht gekaufte Fahrzeug seit dem Kauf mehr als 100.000 Kilometer gefahren und zwischenzeitlich weiterverkauft worden ist. Die damit verbundenen Vorteile – die gezogenen Nutzungen und der Veräußerungserlös – müsse sich der Kläger nach den Vorgaben des BGH schadensmindernd anrechnen lassen. Nach Abzug dieser Vorteile vom ursprünglichen Kaufpreis verbleibe lediglich ein Schaden in der genannten Höhe.
Die Revision hat das OLG nicht zugelassen.
Oberlandegericht Stuttgart, Urteil vom 19.10.2023, 24 U 103/22, rechtskräftig