05.09.2023
Inobhutnahme eines Kindes: Nur als letzte Maßnahme zur Wahrung des Kindeswohls rechtens
Die Inobhutnahme eines Kindes ist als sozialpädagogische Krisenintervention nur erforderlich, wenn das Kindeswohl allein so zu sichern ist und keine anderen, weniger einschneidenden Maßnahmen zur Verfügung stehen. Dies ist laut Verwaltungsgericht (VG) Göttingen nicht der Fall, wen der entscheidungsbefugte Elternteil mit einer Fremdunterbringung des Kindes ohnehin einverstanden ist.
Im zugrunde liegenden Fall ging es um ein Kind, dass in seinem Sozialverhalten und in der Entwicklung gestört ist. Es war auch unterdurchschnittlich lern- und leistungsfähig. Nachdem die Eltern sich getrennt hatten, stritten sie um das Sorge- und Umgangsrecht. Im Juli 2020 hat das Amtsgericht dem Vater wesentliche Teile des Personensorgerechts entzogen, unter anderem das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das seither allein der Mutter zustand. Anfang September 2020 nahm die Stadt Göttingen das Kind mit Einverständnis der Mutter in Obhut.
Mit seiner Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Inobhutnahme hatte der Vater Erfolg. Er sei klagebefugt, stellte das VG zunächst klar. Die von ihm vorgetragenen Tatsachen ließen es möglich erscheinen, dass er durch die Inobhutnahme des Kindes in eigenen Rechten, nämlich seinem grundrechtlich geschützten Elternrecht verletzt sei.
In der Rechtsprechung werde zwar vertreten, dass eine Verletzung in eigenen Rechten ausscheide, wenn den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen sei. Hier sei indes unklar, wie lange die Inobhutnahme angedauert habe. Das Kind sei für bis zu gut zwei Monate vollständig der tatsächlichen Einflussnahme und den Gestaltungmöglichkeiten des Vaters entzogen gewesen. Dass in diesem Zeitraum keine Entscheidungen getroffen worden wären, die bei ihm verbliebende Teile der elterlichen Sorge betroffen hätten, sei nicht denkbar.
Die Klage sei auch begründet, da die Inobhutnahme nicht erforderlich gewesen wäre. Die Erforderlichkeit sei nur dann gegeben, wenn allein die Inobhutnahme das Kindeswohl sichern könne und andere, weniger einschneidende Maßnahmen nicht zur Verfügung stünden. Vorliegend hätte es für eine Fremdunterbringung keiner Inobhutnahme bedurft. Denn die Kindesmutter sei mit einer Fremdunterbringung einverstanden gewesen.
Verwaltungsgericht Göttingen, Urteil vom 24.08.2023, 2 A 107/22, nicht rechtskräftig