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03.09.2025

Keine Wiedereinsetzung: Anwalt darf nur ausnahmsweise auf Fristverlängerung vertrauen

Wer eine Rechtsmittelbegründungsfrist beantragt, trägt das Risiko, dass das Gericht diese versagt. Daher sollte man als Anwalt im Zweifel lieber keine Fristen im Vertrauen auf eine positive Bescheidung des Gerichts verstreichen lassen, rät die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK). Das gelte insbesondere, wenn bereits der Bundesgerichtshof (BGH) und das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) inhaltlich dazu entschieden haben. Der BGH stelle aktuell noch einmal klar, so die BRAK: Eine ausstehende Tatbestands- und Protokollberichtigung stelle (ebenso wie eine Urteilsberichtigung) grundsätzlich keinen "erheblichen Grund" im Sinne des § 520 Absatz 2 Satz 3 Zivilprozessordnung (ZPO) für eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist dar (Beschluss vom 01.07.2025, VI ZB 59/24).

Der Anwalt eines Beklagten hatte für seinen Mandanten zunächst fristgerecht Berufung eingelegt. Anschließend hatte der Beklagtenvertreter einen Antrag auf Fristverlängerung für die Berufungsbegründung gestellt. Dies begründete er zum mit noch anhängigen Tatbestands- und Protokollberichtigungsanträgen der Klägerin, auf die er sich explizit in seiner Berufungsbegründung beziehen wolle, sowie zum anderen unter Hinweis auf seinen eigenen Erholungsurlaub – dabei allerdings bezugnehmend darauf, dass er wegen der anhängigen Anträge die Begründung vor seinem Urlaub nicht rechtzeitig fertigstellen könne. Das Gericht hatte die Frist zunächst um den beantragten Monat verlängert – allerdings ohne genau auf den Grund hierfür einzugehen.

Am Tag des Fristablaufs beantragte der Anwalt eine erneute Fristverlängerung mit der Begründung, dass die Tatbestands- und Protokollberichtigungsanträge immer noch offen seien, er diese aber zur Grundlage der Berufungsbegründung machen wolle. Die Frist hielt er in der Folge nicht ein und reichte die Begründung erst neun Tage später nach.

Das Gericht lehnte die Fristverlängerung jedoch ab und gewährte dem Anwalt auch keine Wiedereinsetzung. Er habe keinen erheblichen Grund für die Fristverlängerung dargelegt und daher nicht darauf vertrauen dürfen, dass die Frist noch einmal verlängert werde. Schon der erste Fristverlängerungsantrag sei nur wegen des angekündigten Erholungsurlaubs gewährt worden. Die ausstehenden Berichtigungen seien schon damals nicht ausschlaggebend gewesen – erst recht genügten sie jetzt nicht. Schließlich habe der Anwalt letztlich auch de facto die Berufungsbegründung eingereicht, ohne dass die Berichtigungen inzwischen vorgenommen worden seien.

Der Anwalt legte Rechtsbeschwerde zum BGH ein, allerdings ohne Erfolg. Das Berufungsgericht habe zu Recht die Wiedereinsetzung versagt und die Berufung als unzulässig verworfen, weil der Anwalt die Frist schuldhaft versäumt habe, so der BGH laut BRAK. Er habe nicht auf die zweite Fristverlängerung vertrauen dürfen, weil es erkennbar an den – mangels Einwilligung des Gegners – erforderlichen erheblichen Gründen gemäß § 520 Absatz 2 Satz 3 ZPO gefehlt habe: Nach ständiger Rechtsprechung des BGH, die das BVerfG bestätigt habe, habe die Berichtigung eines Urteils nach §§ 319, 320 ZPO grundsätzlich keinen Einfluss auf den Beginn und Lauf der Rechtsmittelfristen. Nichts anderes gelte grundsätzlich für Protokollberichtigungen. Daher könnten möglicherweise noch erfolgende Berichtigungen auch keine erheblichen Gründe in diesem Sinne für eine Fristverlängerung darstellen.

Zwar deutete der BGH nach Angaben der BRAK an, dass hiervon möglicherweise Ausnahmen gemacht werden könnten, wenn aufgrund des Inhalts der Berichtigungsanträge ausnahmsweise die rechtzeitige Erstellung der Berufungsbegründung verhindert werde. Diese Frage sei im vorliegenden Fall allerdings nicht zu entscheiden gewesen, weil der Anwalt zu keinem Zeitpunkt Angaben zum Inhalt der Berichtigungsanträge gemacht hatte (und dementsprechend auch nicht, warum – wie er schrieb – diese für seine Berufungsbegründung konkret relevant gewesen wären).

Mit dem Argument, das Gericht habe doch seine erste beantragte Fristverlängerung gewährt, in dem er bereits auf die laufenden Anträge Bezug genommen hatte, drang der Anwalt ebenfalls nicht durch. Angesichts der gefestigten BGH- und BVerfG-Rechtsprechung habe er schon nicht darauf vertrauen dürfen, dass das Gericht die erste Frist allein wegen der ausstehenden Berichtigungsanträge verlängert hätte. Er hätte – so wie der Fall auch tatsächlich lag – erkennen müssen, dass die Verlängerung nur wegen des Erholungsurlaubs gewährt worden war. Erst recht habe er nicht auf eine zweite Fristverlängerung allein deshalb vertrauen dürfen.

Zum Schluss ergänzt der BGH laut BRAK noch, dass auch ein etwaiger Irrtum über die Rechtsprechung – der in der Rechtsbeschwerde allerdings ohnehin nicht angeführt wurde – irrelevant gewesen wäre, weil der Anwalt diesen Irrtum hätte vermeiden können.

Bundesrechtsanwaltskammer, PM vom 02.09.2025 zu Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.07.2025, VI ZB 59/24