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23.06.2022

Übergangsgeld: Erzieherin klagt erfolgreich gegen Rentenversicherung

Der staatlich anerkannte Abschluss einer Erzieherin an einer Fachschule gilt für die Berechnung der Höhe von Übergangsgeld als Fachschulabschluss und nicht lediglich als abgeschlossene Ausbildung. Dies hat das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) entschieden und einer Erzieherin Recht gegeben, die gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund auf ein höheres Übergangsgeld geklagt hatte.

Die 57-jährige Klägerin hatte in jungen Jahren ihre Ausbildung an der Fachschule für Sozialpädagogik in Hamburg absolviert und dort den Abschluss staatlich anerkannte Erzieherin erworben. Nach über 20 Jahren in ihrem Beruf erkrankte sie und konnte nicht mehr als Erzieherin arbeiten. Die Rentenversicherung bewilligte ihr im Jahr 2019 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer beruflichen Integrationsmaßnahme beim Berufsförderungswerk Hamburg. Um ihren Lebensunterhalt in dieser Zeit sicherzustellen, erhielt sie von der Rentenversicherung ein so genanntes Übergangsgeld. Streitig war vor Gericht die Höhe dieses Übergangsgeldes.

Wer an einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme teilnimmt, könne zur Sicherung seines Lebensunterhalts Übergangsgeld von der Rentenversicherung erhalten, erläutert das LSG. Die Höhe des Übergangsgeldes werde durch das zuvor erzielte Einkommen bestimmt. Wurde — wie hier— in den letzten drei Jahren vor der Maßnahme kein Einkommen erzielt, werde ein fiktives Einkommen zugrunde gelegt. Das Übergangsgeld werde dann in Höhe von 65 Prozent dieses fiktiven Einkommens gezahlt. Wie hoch das fiktive Einkommen ist, bestimme sich nach der beruflichen Qualifikation. § 68 Absatz 2 Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) stelle hierfür auf den Berufsabschluss ab und differenziere in vier Stufen danach, ob ein Hochschul- beziehungsweise Fachhochschulabschluss (1. Stufe) oder ein Fachschulabschluss (2. Stufe) erworben wurde, eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf vorliegt (3. Stufe) oder aber keine Ausbildung (4. Stufe).

Obwohl die Klägerin im vorliegenden Fall ihren Abschluss als Erzieherin an einer Fachschule für Sozialpädagogik erworben hatte, ging die Deutsche Rentenversicherung Bund davon aus, dass sie damit lediglich so zu stellen sei, als hätte sie eine abgeschlossene Ausbildung absolviert. Die Klägerin war hingegen der Auffassung, dass ein Fachschulabschluss im Sinne der 2. Stufe vorliege. Die Rentenversicherung argumentierte damit, dass bei den in § 68 Absatz 2 SGB IX beschriebenen Qualifikationsgruppen jeweils unterschiedliche Fertigkeiten und Befähigungen erworben würden. Die 3. Stufe, die sie hier anwenden wollte, setze eine grundständige Ausbildung voraus. Die 2. Stufe, die den Abschluss an einer Fachschule erfordere, setze eine solche Ausbildung voraus und fordere darüber hinaus den Erwerb weitergehender Fertigkeiten und Berechtigungen, insbesondere Führungsfähigkeiten, im Sinne einer Weiterbildung. Diese Voraussetzungen hätten bei der Ausbildung der Klägerin nicht vorgelegen.

Dies sahen das Sozialgericht Lübeck in erster Instanz und nun auch das Schleswig-Holsteinische LSG, das die Berufung der Rentenversicherung zurückwies, anders. Der Wortlaut des Gesetzes, der lediglich auf den Abschluss an einer Fachschule und nicht auf den Erwerb zusätzlicher Fertigkeiten und Berechtigungen abstelle, sei hier eindeutig. Nach einem Beschluss der Kultusministerkonferenz könne die Ausbildung im Fachbereich Sozialwesen über eine Fachschule angeboten werden. Hierfür habe sich die Hansestadt Hamburg entschieden. Diese habe hierfür entsprechende Ausbildung- und Prüfungsregelungen erlassen. Es gebe keinen Grund, hier eine den Wortlaut erweiternde Auslegung vorzunehmen. Die Klägerin erhält nun ein um etwa 380 Euro monatlich höheres Übergangsgeld für die Zeit der Maßnahme.

Das LSG hat die Revision nicht zugelassen.

Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 20.06.2022, L 7 R 55/21