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22.06.2022

«Selbstbestimmtes Sterben»: Soll möglich werden

Sterbewillige sollen unter bestimmten Voraussetzungen Zugang zu tödlich wirkenden Betäubungsmitteln erhalten. Das sieht der "Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben zur Änderung weiterer Gesetze" (BT-Drs. 20/2293) vor, den eine fraktionsübergreifende Gruppe von 45 Abgeordneten um Renate Künast (B90/Die Grünen) aus den Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und SPD vorgelegt hat. Die Vorlage soll am 24.06.2022 mit zwei weiteren Gesetzentwürfen zum Thema Sterbehilfe, von denen einer bereits als Drucksache (BT-Drs. 20/904) vorliegt, und einem Antrag zur Suizidprävention (BT-Drs. 20/1121) erstmals im Bundestag beraten werden.

Die Abgeordneten führen zur Begründung das vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) festgestellte "Recht auf selbstbestimmtes Sterben" an. Das BVerfG hatte im Februar 2020 das 2015 beschlossene und im § 217 des Strafgesetzbuches geregelte "Verbot des geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung" deswegen für nichtig erklärt (2 BvR 2347/15).

"Über eine Beschränkung bestimmter – gefährlicher oder als anstößig bewerteter – Formen der Suizidhilfe kann angesichts der durch die Verfassung gesicherten Freiheit überhaupt nur und erst dann diskutiert werden, wenn die deutsche Rechtsordnung den Zugang zu angemessenen Hilfsmitteln für einen selbstbestimmten Tod im Übrigen klar gewährleistet", schreiben die Abgeordneten weiter.

Mit dem vorgelegten Entwurf sollen zum einen die "Voraussetzungen für den Zugang zu Betäubungsmitteln für Strebewillige in medizinischen Notlagen" (§ 3) und zum anderen die "Allgemeinen Voraussetzungen für den Zugang zu Betäubungsmitteln für Sterbewillige" (§ 4) geregelt werden.

Im Fall einer medizinischen Notlage soll demnach ein Arzt ein entsprechendes Betäubungsmittel verschreiben können. Voraussetzung dafür ist untere anderem die schriftliche Fixierung des Sterbewunsches. Zudem muss gelten, dass die Sterbewilligen "von ärztlicher Seite auf alle infrage kommenden medizinischen Mittel hingewiesen worden sind, die das Leid, das die Notlage begründet, auch nur geringfügig lindern könnten, wobei sich der Arzt oder die Ärztin vergewissern muss, dass es keine anerkannten medizinischen Mittel gibt, die den beschriebenen Leidensdruck verringern könnten". Zudem wird eine schriftliche Bestätigung durch einen zweiten Arzt benötigt, dass die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt worden sind. Grundsätzlich sollen zwischen Erst- und Zweitbestätigung mindestens zwei Wochen liegen.

Außerhalb einer "ärztlichen Behandlung in einer gegenwärtigen medizinischen Notlage" ist laut dem Entwurf vorgesehen, dass Sterbewillige ihren Sterbewunsch glaubhaft darlegen sowie eine zweimalige Beratung von einer "zugelassenen unabhängigen Beratungsstelle“ nachweisen müssen. "Das Beratungsgespräch hat vom Grundwert jedes Menschenlebens auszugehen und verfolgt im Übrigen das Ziel, dass den Sterbewilligen alle Umstände und Hilfsangebote bekannt werden, die ihre Entscheidung ändern könnten", heißt es in dem Entwurf. Zwischen den beiden Gesprächen ist demnach eine Wartezeit von mindestens zwei und maximal zwölf Monaten vorgesehen.

Laut dem Entwurf muss der Sterbewunsch "von Sterbewilligen in Ausübung ihres freien Willens eigenhändig vollzogen werden". Das verschriebene Betäubungsmittel kann demnach an den Sterbewilligen selbst oder, wenn die Sterbewilligen es wünschen, an einen Arzt oder an einen "zugelassenen Hilfsanbieter“ abgegeben werden, die die Sterbewilligen begleiten und unterstützen. Die Sterbebegleitung durch Dritte, die nicht Ärzte sind, soll laut Entwurf möglich sein. Wenn es sich dabei um ein geschäftsmäßiges Angebot handelt, ist eine Zulassung erforderlich. Die Zulassung soll einerseits zuverlässiges Personal voraussetzen sowie davon abhängen, dass geschäftsmäßige Hilfsanbieter Sterbewillige "selbstlos" im Sinne des § 55 der Abgabeordnung, "nicht gewerblich und nicht zu Erwerbszwecken unterstützen".

Der Entwurf sieht zudem strafrechtliche Regelungen vor. Danach soll mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden, wer unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für andere oder zum Missbrauch für Straftaten eine Bescheinigung für die Abgabe des Betäubungsmittels zu erhalten. Als Ordnungswidrigkeit soll unter anderem die "grob anstößige" Werbung geahndet werden können.

Anpassungen sind zudem im Betäubungsmittelgesetz vorgesehen. Darin soll die Abgabe der entsprechenden Betäubungsmittel ermöglicht werden. Zudem sieht der Entwurf eine Verordnungsermächtigung vor, mit der weitere Mittel neben dem Entwurf schon festgeschriebenen Natrium-Pentobarbital als tauglich eingestuft werden können.

Deutscher Bundestag, PM vom 20.06.2022