Zurück

29.11.2022

Kindertagespflegepersonen: Verwaltung hat bei Sachkostenerstattung keinen Beurteilungsspielraum

Dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe steht bei der Festlegung des Erstattungsbetrages für den Sachaufwand, der Kindertagespflegepersonen bei ihrer Tätigkeit entsteht, kein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden.

Kläger waren zwei Kindertagespflegepersonen aus Dresden beziehungsweise Leipzig, die die Höhe der ihnen jeweils zugebilligten laufenden Geldleistungen nach § 23 des Achten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VIII) beanstandeten. Diese Geldleistungen setzen sich hauptsächlich aus einem Anerkennungsbetrag für die Förderleistung und einem Erstattungsbetrag für die entstehenden Sachkosten zusammen. Sie werden von beiden Städten als Pauschalbeträge gezahlt, die von den Stadträten festgesetzt werden.

Die gegen die Höhe des Betrages gerichteten Klagen hatten in den Vorinstanzen im Wesentlichen keinen Erfolg. Im Fall des Klägers aus Dresden hat das BVerwG die beklagte Landeshauptstadt zur Neuentscheidung über die Höhe der Sachkostenerstattung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet und die Revision zurückgewiesen, soweit sie den Anerkennungsbetrag betraf. Im Fall der Leipziger Klägerin hatte die Revision insgesamt keinen Erfolg.

Nach der bundesrechtlichen Regelung (§ 23 Absatz 2 Nr. 1 SGB VIII) seien einer Kindertagespflegeperson die angemessenen Kosten zu erstatten, die ihr für den Sachaufwand entstehen, so das BVerwG. Das seien die bei der Kindertagespflege, welche die Erziehung, Bildung und Förderung des Kindes umfasst, üblicherweise anfallenden Kosten für einen in der Kindertagespflege typischen Standard, die der Höhe nach marktüblich sind und von den Kindertagespflegepersonen endgültig wirtschaftlich getragen werden. Das Bundesrecht schreibe zur Ermittlung der angemessenen Kosten keine bestimmte Methodik vor. Die angewandte Methode müsse aber geeignet sein, die Kosten realitätsgerecht und ortsbezogen zu erfassen.

Wegen des erforderlichen Ortsbezugs komme der im Steuerrecht anzuwendenden Betriebskostenpauschale in Höhe von 300 Euro pro Kind und Monat keine maßgebliche Bedeutung zu. Unter Beachtung dessen sei der Jugendhilfeträger oder die nach Landesrecht zuständige Stelle grundsätzlich verpflichtet, die in diesem Sinne üblichen Kosten zu ermitteln, so das BVerwG. Soweit eine präzise Ermittlung dieser Kosten angesichts der Vielfalt der Verhältnisse praktisch nicht möglich ist, sei er zu vereinfachenden Sachverhaltsbetrachtungen und Typisierungen berechtigt. Eine solche Typisierungsbefugnis sei aber nicht gleichzusetzen mit einem Beurteilungsspielraum, der die Verwaltung zu einer grundsätzlich abschließenden Entscheidung über das Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale ermächtigt und gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden kann.

Ein Beurteilungsspielraum sei als Einschränkung des durch das Grundgesetz gewährleisteten Rechtsschutzes rechtfertigungsbedürftig und könne nur angenommen werden, wenn er sich hinreichend deutlich dem Gesetz entnehmen lässt. Dies sei hier entgegen der bisher überwiegend vertretenen Meinung nicht der Fall. Daher unterliege die Festlegung der Sachkostenerstattung der vollen gerichtlichen Überprüfung, die sich in sachgerechter Weise grundsätzlich auf die Prüfung gerügter oder augenscheinlicher Mängel konzentrieren kann.

Insbesondere sei es danach grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn bei der Ermittlung der angemessenen Sachkosten typische Standards anhand von Werten bestimmt werden, die vom Jugendhilfeträger in Konkretisierung gesetzlicher Anforderungen (zum Beispiel für die Erteilung einer Erlaubnis) festgelegt werden, wie dies etwa hinsichtlich der Räumlichkeiten, in denen Kindertagespflege stattfindet, der Fall ist. In gleicher Weise sei es grundsätzlich bedenkenfrei, wenn die Höhe der Raumkosten anhand von Durchschnittswerten aus Miet- beziehungsweise Nebenkostenspiegeln ermittelt wird. Das BVerwG hält es ebenfalls für grundsätzlich zulässig, wenn Standards des Ausstattungsbedarfs bei Kindertagespflegepersonen unter Rückgriff auf diejenigen in Kindertageseinrichtungen der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ermittelt werden. Dies gelte im Ansatz auch in Bezug auf die Ermittlung der hierfür anzusetzenden üblichen Kosten. Die in diesem Sinne angemessenen Kosten dürfen nach der gesetzlichen Regelung (§ 23 Absatz 2 Nr. 1 SGB VIII) auch für alle Kindertagespflegepersonen im jeweiligen örtlichen Bereich einheitlich als Pauschalbetrag der Erstattung festgelegt werden.

Unter Berücksichtigung dessen sei es in beiden Fällen nicht – wie von den Klägern gerügt – zu beanstanden gewesen, dass die beklagten Städte als Sachkosten nicht die Kosten berücksichtigt haben, die für die Reinigung der Räumlichkeiten durch Dienstleister anfallen würden. Denn in beiden Fällen habe das Oberverwaltungsgericht (OVG) für das BVerwG bindend festgestellt, dass die Reinigung üblicherweise in Eigenleistung durch die Kindertagespflegepersonen durchgeführt wird. Daher hätten Fremdleistungen in der Pauschale auch nicht berücksichtigt werden müssen.

Im Fall des Klägers aus Dresden sei die Beklagte allerdings dennoch zur erneuten Entscheidung über die Sachkostenerstattung zu verpflichten gewesen, weil bereits das OVG für das BVerwG bindend eine unzureichende Ermittlung der zu erstattenden Stromkosten festgestellt hatte. Da insoweit kein Beurteilungsspielraum besteht, könne ein solcher Fehler auch nicht, wie das OVG gemeint hat, allein wegen einer geringen Höhe als unerheblich angesehen werden.

Nicht beanstandet hat das BVerwG in beiden Fällen dagegen die Festlegung des Anerkennungsbetrages für die Förderleistung. Diesbezüglich hat es bereits im Jahr 2018 entschieden, dass den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe ein Beurteilungsspielraum zusteht, der hier nicht überschritten worden ist.

Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 24.11.2022, 5 C 1.21 und 5 C 3.21