10.01.2025
AnomChat-Daten: Zur Aufklärung schwerer Straftaten verwertbar
Von den USA übermittelte AnomChat-Daten sind in Deutschland als Beweismittel verwertbar, wenn sie der Aufklärung schwerer Straftaten dienen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.
Aber was hat es mit den AnomChat-Daten auf sich? US-Behörden ermittelten gegen ein Unternehmen, das Kryptomobiltelefone ausschließlich an Mitglieder krimineller Vereinigungen zur verschlüsselten Kommunikation veräußerte. Das FBI entwickelte im Zuge der Ermittlungen eigens entwickelte Kryptomobiltelefone mit dem Namen "Anom" und veräußerte diese an kriminelle Organisationen. Obwohl jedes Anom-Gerät Ende-zu-Ende verschlüsselt war, verfügte das FBI ohne Wissen der Nutzer über die Codes, um jede Nachricht zu entschlüsseln.
Der Angeklagte wurde vom Landgericht (LG) Tübingen wegen Drogenhandels verurteilt; in neun der 35 verurteilten Fälle waren zentrale Beweismittel Nachrichten des Angeklagten, die dieser zur Organisation des Drogenhandels über eine in der Taschenrechnerfunktion seines Mobiltelefons versteckten App "Anom" versandt hatte. Der Angeklagte hat mit seiner Revision gerügt, dass diese über das US-Justizministerium erlangten Daten nicht als Beweismittel in seinem Strafverfahren hätten verwertet werden dürfen.
Der BGH hat diese Beanstandung als nicht durchgreifend angesehen: Die von den USA übermittelten Daten seien als Beweismittel verwertbar, wenn sie wie hier der Aufklärung schwerer Straftaten dienen.
Verfassungsgemäße Rechtsgrundlage für die Verwertung von Beweisen im Strafprozess sei § 261 Strafprozessordnung. Dies gelte auch für im Wege der Rechtshilfe erlangte Daten. Eine ausdrückliche Regelung, dass solche Beweise nur eingeschränkt verwendet werden dürfen, enthalte das deutsche Recht nicht, so der BGH.
Das von der Revision geltend gemachte Beweisverwertungsverbot bestehe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt. Die Frage, ob ein solches Verbot besteht, sei ausschließlich nach deutschem Recht zu beantworten. Die ausländischen Ermittlungsmaßnahmen seien nicht am Maßstab des ausländischen Rechts zu überprüfen gewesen. Es sei auch nicht entscheidend, ob die deutschen Ermittlungsbehörden in gleicher Weise hätten vorgehen dürfen.
Gegen menschenrechtliche Grundwerte oder gegen grundlegende Rechtsstaatsanforderungen im Sinne eines im Rechtshilfeverkehr zu prüfenden "ordre public" wurde laut BGH nicht verstoßen. Denn die Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis seien begrenzt gewesen. Die Maßnahmen hätten sich ausschließlich gegen Personen gerichtet, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für die Beteiligung an Straftaten der organisierten Kriminalität, insbesondere im Bereich des Betäubungsmittel- und Waffenhandels, bestanden. Schon angesichts der hohen Kosten und des auf kriminelle Kreise beschränkten Vertriebswegs ("designed by criminals for criminals") habe bereits der Erwerb eines Anom-Handys den Verdacht begründet, dass der Nutzer das Gerät zur Planung und Begehung schwerer Straftaten im Bereich der organisierten Kriminalität einsetzte.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.01.2025, 1 StR 54/24