09.01.2025
Neue Rechtslage im Verfahren: Anwältin hätte aufklären müssen
Verändert sich die rechtliche Ausgangslage im Laufe des Verfahrens, weil die zentrale Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof (BGH) geklärt wird, und weist das Gericht darauf hin, müssen Rechtsanwälte ihre Mandanten über die damit veränderten Erfolgsaussichten aufklären, so das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a.M. Unterbleibt dies und wird ein aussichtloses Verfahren fortgeführt, hafte die Anwältin gegenüber einem Rechtsschutzversicherer auf die dadurch entstandenen Mehrkosten. Über das Urteil vom 28.08.2024 (3 U 193/23) berichtet die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK).
In einem Verfahren zum Widerruf eines Kreditvertrags hatte die Anwältin für ihre Mandantin Berufung eingelegt. Wie schon für die erste Instanz hatte letztere hierfür eine Deckungszusage von ihrer Rechtsschutzversicherung erhalten. Noch vor Entscheidung über die Berufung entschied jedoch der BGH in einer zentralen Rechtsfrage betreffend den Widerruf von Kreditverträgen, sodass die Berufung letztlich aussichtslos wurde. Obwohl das OLG die Anwältin auf die nunmehr fehlenden Aussichten der Berufung hinwies, reagierte diese nicht. Schließlich wies das OLG die Berufung zurück. Die Rechtsschutzversicherung behauptet nun, das gesamte Berufungsverfahren sei aussichtslos gewesen und verlangt die vollen circa 15.500 Euro an Prozesskosten von der Anwältin zurück. Vor dem Landgericht Frankfurt a.M. hatte sie mit dieser Ansicht laut BRAK noch Erfolg.
Das OLG Frankfurt a.M. hingegen habe dies Klage abgewiesen, soweit sie die entstandenen Kosten betraf, die vor dem Hinweis des Berufungsgerichts auf den BGH-Beschluss schon angefallen waren. Lediglich knapp 2.300 Euro müsse die Anwältin zahlen, weil sie diese Mehrkosten schuldhaft verursacht habe. Die ursprüngliche Einlegung der Berufung hingegen sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem es zur entscheidenden Rechtsfrage noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung gegeben habe. Deswegen hätte die Anwältin ihrer Mandantin damals auch nicht von einer Berufung abraten müssen.
Nach der Mitteilung des OLG über den BGH-Beschluss jedoch hätte die Anwältin reagieren und ihre Mandantin über die nunmehrige Aussichtslosigkeit aufklären und zu einer Rücknahme der Berufung raten müssen. Verändere sich die rechtliche oder tatsächliche Ausgangslage im Laufe des Verfahrens, müsse über eine damit verbundene Verschlechterung der Erfolgsaussichten aufgeklärt werden.
Der unterlassene Rat zur Rücknahme der Berufung sei auch kausal für den Anfall von zwei weiteren Gerichtsgebühren. Trotz der bestehenden Rechtsschutzversicherung der Mandantin greife insoweit die Vermutung aufklärungsgerechten Verhaltens – also dass die Mandantin dem Rat ihrer Anwältin gefolgt wäre. Schließlich hätten nach höchstrichterlicher Klärung aller streitigen Rechtsfragen keinerlei Erfolgsaussichten mehr bestanden.
Bundesrechtsanwaltskammer, PM vom 06.01.2025