03.03.2025
Versandapotheke DocMorris: Bestimmte Werbeaktionen dürfen verboten werden
Die Mitgliedstaaten dürfen Werbeaktionen für den Bezug unbestimmter verschreibungspflichtiger Arzneimittel in Gestalt von Preisnachlässen oder Zahlungen in Höhe eines genauen Betrags erlauben. Ferner dürfen sie Werbeaktionen für den Bezug solcher Arzneimittel verbieten, wenn damit Gutscheine für nachfolgende Bestellungen nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel sowie von Gesundheits- und Pflegeprodukten angeboten werden. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden.
DocMorris, eine niederländische Versandapotheke, führte seit 2012 verschiedene Werbeaktionen für den Bezug verschreibungspflichtiger Arzneimittel durch, die auf Kunden in Deutschland abzielten. Es handelte sich zum einen um Preisnachlässe und Zahlungen in Höhe eines genauen Betrags für die Bestellung unbestimmter verschreibungspflichtiger Arzneimittel und zum anderen um eine Prämie über einen Betrag zwischen 2,50 Euro und 20 Euro, die zu einer Zahlung führte, deren genaue Höhe jedoch im Vorhinein nicht ersichtlich war. Überdies bot DocMorris für den Bezug verschreibungspflichtiger Arzneimittel Gutscheine für nachfolgende Bestellungen weiterer Produkte an, nämlich für Bestellungen nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel sowie von Gesundheits- und Pflegeprodukten.
Auf Antrag der Apothekerkammer Nordrhein erließ das Landgericht Köln einstweilige Verfügungen, mit denen die Werbeaktionen von DocMorris untersagt wurden. Da jedoch die meisten dieser einstweiligen Verfügungen in der Folge aufgehoben wurden, begehrt DocMorris vor den deutschen Gerichten von der Apothekerkammer Schadensersatz in Höhe von circa 18,5 Millionen Euro. Nach seiner Ansicht waren die einstweiligen Verfügungen von Anfang an ungerechtfertigt.
Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hat den Gerichtshof danach gefragt, ob das deutsche Recht, das die Werbeaktionen unter Verwendung von Preisnachlässen und Zahlungen in Höhe eines bestimmten Betrags erlaube, während es die anderen Werbeaktionen verbiete, mit der Richtlinie 2001/83 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel vereinbar ist.
Im Zuge einer vollständigen Harmonisierung des Bereichs der Arzneimittelwerbung sieht die Richtlinie zum einen vor, dass die Mitgliedstaaten die Öffentlichkeitswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel verbieten. Zum anderen kann für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel unter bestimmten Bedingungen und Beschränkungen Öffentlichkeitswerbung erfolgen. Allerdings fällt laut EuGH nicht jede Werbeaktion für unbestimmte Arzneimittel automatisch in den Anwendungsbereich der Richtlinie. Ihre Anwendbarkeit setze voraus, dass eine solche Aktion darauf abzielt, die ärztliche Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern. Ist dies nicht der Fall, finde die Richtlinie keine Anwendung.
Hierzu stellt der Gerichtshof fest, dass die Richtlinie auf Werbeaktionen für den Bezug unbestimmter verschreibungspflichtiger Arzneimittel in Gestalt von Preisnachlässen oder Zahlungen in Höhe eines genauen Betrags oder in Gestalt einer Prämie, deren genaue Höhe im Vorhinein nicht ersichtlich ist, nicht anwendbar ist. Solche Werbeaktionen bezögen sich tatsächlich nur auf die Entscheidung für die Apotheke und förderten nicht den Verbrauch solcher Arzneimittel. Wenn ein Kunde ein Rezept erhält, bleibe ihm im Hinblick auf das verschreibungspflichtige Arzneimittel nämlich nur noch die Entscheidung für die Apotheke, bei der er es bezieht. Die Richtlinie verwehre es daher nicht, dass solche Werbeaktionen in Gestalt eines bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrags nach deutschem Recht erlaubt sind.
Allerdings dürfe ein Mitgliedstaat Werbeaktionen für den Bezug unbestimmter verschreibungspflichtiger Arzneimittel, mit denen eine Prämie angeboten wird, deren genaue Höhe für den Kunden im Vorhinein nicht ersichtlich ist, auf der Grundlage anderer unionsrechtlicher Bestimmungen aus Verbraucherschutzgründen verbieten – was Deutschland offenbar getan habe. Mit einem solchen Verbot könne nämlich verhindert werden, dass die Verbraucher die Höhe der Prämie überschätzen.
In Bezug auf Gutscheine für nachfolgende Bestellungen nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel sowie von Gesundheits- und Pflegeprodukten stellt der EuGH fest, dass die Richtlinie anwendbar ist, soweit solche Gutscheine den Verbrauch nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel fördern. Daher steht die Richtlinie nach Auffassung des Gerichtshofs einem Verbot solcher Werbeaktionen im nationalen Recht nicht entgegen. Da sich ein Verbraucher zwischen dem Kauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel und dem Kauf anderer Produkte – wie von Gesundheits- und Pflegeprodukten – entscheiden kann, stellten solche Gutscheine nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel diesen anderen Produkten gleich und lenkten den Verbraucher so von einer sachlichen Prüfung der Frage ab, ob die Einnahme dieser Arzneimittel erforderlich ist.
Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 27.02.2025, C-517/23