07.06.2024
Rückforderung überzahlter Miete: Anspruch geht auf Sozialleistungsträger über
Ein auf Rückerstattung überzahlter Miete gerichteter Anspruch des Wohnraummieters, der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts – hier Arbeitslosengeld II (nunmehr: Bürgergeld) – als Bedarf für seine Unterkunft bezieht, geht auf den Sozialleistungsträger über. Dies hat der BGH entschieden.
Der Mieter einer Wohnung in Berlin bezog Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II). Das Jobcenter zahlte die Miete. Der Mieter hielt die Miete für sittenwidrig überhöht und klagte auf Rückerstattung überzahlter Miete – auch wegen eines Wasserschadens, wegen dem die Miete in einem bestimmten Zeitraum in vollem Umfang gemindert gewesen sei.
Seine Klage hatte vor dem Amtsgericht (AG) im Wesentlichen – nämlich in Höhe von rund 11.000 Euro – Erfolg: Die vereinbarte Grundmiete habe die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als das Doppelte überstiegen und die Vermieterin habe bei den Vertragsverhandlungen die Unterlegenheit ihres Mieters ausgenutzt, so das gericht. Zudem sei die Wohnung wegen eines Wasserschadens zeitweise nicht nutzbar und die Miete deshalb in dieser Zeit vollständig gemindert gewesen.
Während des von der Vermieterin angestrengten Berufungsverfahrens hat der Prozessbevollmächtigte des Mieters das Jobcenter wiederholt vergeblich um die Rückübertragung übergegangener Ansprüche auf den Mieter gebeten.
Auf die Berufung der Vermieterin hat das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Das LG meint, dem Mieter stünden die Ansprüche auf Rückerstattung überzahlter Miete nicht zu, weil sie gemäß § 33 Absatz 1 Sozialgesetzbuch II (SGB II) auf den Sozialleistungsträger übergegangen seien. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Mieter die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Hiermit hatte er keinen Erfolg. Der BGH hat entschieden, dass (etwaige) Ansprüche auf Rückerstattung überzahlter Miete gemäß § 33 Absatz 1 Satz 1 SGB II in Höhe der geleisteten Aufwendungen auf den Sozialleistungsträger übergegangen sind.
Der gesetzliche Forderungsübergang nach § 33 Absatz 1 Satz 1 SGB II solle den Grundsatz des Nachrangs der Leistungen nach dem SGB II sichern. Die Voraussetzungen des Forderungsübergangs sieht der BGH hier als erfüllt an. Der Bereicherungsanspruch eines Mieters auf Rückerstattung überzahlter Miete gegen seinen Vermieter unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 812 Absatz 1 Satz 1 Alt. 1 Bürgerliches Gesetzbuch sei ein Anspruch gegen einen Anderen, der nicht Leistungsträger ist.
Die geltend gemachten Bereicherungsansprüche seien für die Zeit entstanden, in der das Jobcenter dem Kläger Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts gewährt hat. Bei rechtzeitiger Rückerstattung der überzahlten Miete durch die Vermieterin wären diese Sozialleistungen auch nicht erbracht worden; hätte sie die überzahlten Summen nämlich rechtzeitig zurückerstattet, hätte der Mieter sich diese Beträge zur Deckung seines Bedarfs anrechnen lassen müssen.
Dem gesetzlichen Anspruchsübergang steht es laut BGH nicht entgegen, dass das Jobcenter die Bereicherungsansprüche gegen die Vermieterin weder selbst realisiert noch von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die Ansprüche zur gerichtlichen Geltendmachung auf den Mieter zurückzuübertragen (§ 33 Absatz 4 Satz 1 SGB II). Dies betreffe ausschließlich den Verwaltungsvollzug, berühre jedoch nicht die Voraussetzungen des gesetzlichen Anspruchsübergangs auf den Leistungsträger.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.06.2024, VIII ZR 150/23