28.02.2024
Elterliche Umgangsvereinbarung: Keine Durchsetzung per Vertragsstrafen
Eine Elternvereinbarung zum persönlichen Umgang mit dem Kind kann nicht unter Umgehung einer gerichtlichen Kindeswohlkontrolle durch Vereinbarung einer Vertragsstrafe oder einer vertragsstrafenähnlichen Klausel erzwingbar gemacht werden. Dies stellt der Bundesgerichtshof (BGH) klar.
Eine Peruanerin und ein Deutsch-Peruaner haben zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Der letzte gemeinsame Aufenthalt der Ehegatten war in Deutschland, wo der Vater weiterhin lebt und arbeitet. Die Mutter siedelte 2011 mit der Tochter nach Peru über, wo im Folgejahr auch der Sohn geboren wurde. Seitdem sie Deutschland verlassen hatte, ließ sie einen persönlichen Umgang des Vaters mit den gemeinsamen Kindern nur dann zu, wenn sich dieser besuchsweise in Peru aufhielt. Die Ehe der Beteiligten wurde 2017 rechtskräftig geschieden.
Die Mutter macht im vorliegenden Verfahren güterrechtliche Ansprüche geltend. Der Vater verpflichtete sich in einem gerichtlichen Vergleich zur Zahlung eines bestimmten Betrags zur Abgeltung aller güterrechtlicher Forderungen in drei Raten. Die jährlichen Raten sollten erst fällig werden, wenn zuvor ein dreiwöchiger Umgang der gemeinsamen Kinder mit ihm in Deutschland stattgefunden hatte.
Der BGH hat die im gerichtlichen Vergleich enthaltene Stundungsvereinbarung wegen der Verknüpfung der Ratenfälligkeit mit der tatsächlichen Gewährung des vereinbarten Umgangs der Kinder mit dem Vater in Deutschland als sittenwidrig angesehen. Bei einer vertraglichen Verknüpfung von Vermögensbelangen der Eltern und dem persönlichen Umgang mit dem Kind bestehe aus dem Blickwinkel des Kindeswohls die Gefahr, dass Gewährung und Ausgestaltung des Umgangs maßgeblich von wirtschaftlichen Interessen der Eltern bestimmt werden, das Kind auf diese Weise zum Objekt eines Handels gemacht und besonderen Loyalitätskonflikten ausgesetzt wird. Die Grenze zur Sittenwidrigkeit sei bei solchen Vereinbarungen jedenfalls dann überschritten, wenn sie die von den Eltern getroffene Umgangsregelung unter Ausschluss einer gerichtlichen Kindeswohlkontrolle erzwingbar machen soll.
Das Umgangsrecht unterstehe nicht der freien vertraglichen Disposition der Eltern, hebt der BGH hervor. Ohne eine sachliche Kontrolle durch das Familiengericht am Maßstab des Kindeswohls könnten die Eltern nach geltendem Recht die Vollstreckbarkeit einer von ihnen getroffenen Umgangsvereinbarung nicht herbeiführen. Das Erfordernis der gerichtlichen Billigung der Umgangsvereinbarung als notwendiger Voraussetzung ihrer Vollziehbarkeit könne nicht dadurch überflüssig gemacht werden, dass die Eltern eine Vertragsstrafe oder eine vertragsstrafenähnliche Klausel für den Fall einer Zuwiderhandlung gegen die von ihnen getroffenen Umgangsregelungen vereinbaren.
Danach sei die Verknüpfung der Fälligkeit der auf die Vergleichssumme zu zahlenden Raten mit der Gewährung des Umgangs mit den Kindern in Deutschland sittenwidrig. Sie habe die Ausübung wirtschaftlichen Drucks auf die Mutter bezweckt, die zwischen den Eltern im gerichtlichen Vergleich getroffene Umgangsvereinbarung einzuhalten. Das verleihe der Regelung in ihrer Wirkung einen vertragsstrafenähnlichen Charakter. Eine familiengerichtliche Kontrolle der Umgangsvereinbarung am Maßstab des Kindeswohls, die zwingend eine Beteiligung der Kinder am Verfahren und deren Anhörung durch das Gericht zur Erforschung ihres Willens erfordert hätte, habe in Deutschland nicht stattgefunden.
Der Fall sei wegen seines Auslandsbezugs nicht anders zu beurteilen. Zwar könne die Frage der Sittenwidrigkeit bei vertragsstrafenbewehrten Umgangsvergleichen mit Auslandsberührung gegebenenfalls in einem milderen Licht erscheinen, wenn dem Vergleich das grundsätzlich billigenswerte Motiv des umgangsberechtigten Elternteils zugrunde liegt, für die Durchsetzung seines Umgangsrechts nicht auf eine ineffektive grenzüberschreitende Vollstreckung von Ordnungsmitteln angewiesen sein zu müssen, so der BGH. Doch auch dann müssten Vertragsstrafen oder vertragsstrafenähnliche Klauseln zur Durchsetzung des Umgangsrechts stets eine Berücksichtigung von Kindeswohleinreden gewährleisten. Dies sei hier nicht der Fall. Der Inhalt des ohne wirksame familiengerichtliche Kontrolle abgeschlossenen Vergleichs lasse auch eine nachgelagerte gerichtliche Kontrolle der Umgangsvereinbarung durch deutsche oder peruanische Gerichte nicht zu, sodass die Mutter die mit der Nichtgewährung des Umgangs verbundenen wirtschaftlichen Nachteile selbst dann nicht abwenden könnte, wenn in einem gerichtlichen Verfahren später bezüglich eines oder beider Kinder die fehlende Kindeswohldienlichkeit der vergleichsweise festgelegten Umgangskontakte in Deutschland festgestellt würde.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.01.2024, XII ZB 385/23