08.02.2024
Alkohol am Steuer: Anscheinsbeweis für Unfallverursachung
Ereignet sich ein Unfall in einer Verkehrslage und unter Umständen, die ein nüchterner Fahrer hätte meistern können, spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Trunkenheit für den Unfall ursächlich war. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat einer schwer verletzten Fußgängerin Schmerzensgeld von 52.500 Euro und Schadensersatz – jeweils unter Berücksichtigung einer Mithaftung von 25 Prozent – zugesprochen.
Die Geschädigte nimmt einen Pkw-Fahrer auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch. Der Mann war mit seinem Fahrzeug alkoholisiert mit 0,96 Promille in einer Stadt unterwegs, als die Frau mit vier weiteren Personen die Straße überquerte. Sie wurde vom Fahrzeug des alkoholisierten Fahrers erfasst und schwer verletzt. Das Landgericht hatte der Klage auf Basis einer Haftungsquote von 50 Prozent stattgegeben.
Auf die Berufung der Geschädigten setzte das OLG eine Haftungsquote von 75 zu 25 Prozent zulasten des Pkw-Fahrers fest. Dieser habe gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot verstoßen. Er habe nicht gebremst, obwohl das Betreten der Fahrbahn durch die Personengruppe dies erfordert hätte. Zudem sei er ganz erheblich alkoholisiert Auto gefahren. Auf ein verkehrsgerechtes Verhalten des späteren Unfallopfers habe er nicht vertrauen dürfen, da dieses für ihn ersichtlich entgegen seiner Verpflichtung, den Fahrzeugverkehr zu beachten, die Straße überquert habe. Der Fahrer könne sich infolge der eigenen regelwidrigen Trunkenheit auch überhaupt nicht auf diesen Grundsatz berufen.
Wer angetrunken ein Kraftfahrzeug führt, handele also grob fahrlässig, betonte das OLG. Der Pkw-Fahrer habe die entscheidende Ursache für den Unfall gesetzt. Es sei davon auszugehen, dass ihm der Verkehrsverstoß unterlaufen sei, da er alkoholisiert gewesen sei. Insoweit spreche ein Anscheinsbeweis für die Ursächlichkeit der Trunkenheit für einen Unfall, "wenn dieser sich in einer Verkehrslage und unter Umständen ereignet, die ein nüchterner Fahrer hätte meistern können". So liege es hier. Angesichts der freien Sicht für den Fahrer bestehe kein Zweifel, dass "ein nüchterner Fahrer die Gruppe um die Klägerin wahrgenommen und rechtzeitig gebremst hätte".
Die Geschädigte müsse sich jedoch ein Mitverschulden in Höhe von 25 Prozent anrechnen lassen. Das Auto sei für sie erkennbar gewesen, als sie die Fahrbahn betreten habe. Unter Berücksichtigung der Schwere der Verletzungen, des dadurch bedingten Leidens, des Grad des Verschuldens und der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit sei ein Schmerzensgeld von 70.000 Euro angemessen. Nach Abzug ihres Mitverschuldensanteils von 25 Prozent bleibe ein Schmerzensgeldanspruch von 52.500 Euro neben den zu erstattenden materiellen Schäden.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Zulassung der Revision begehrt werden, über die der Bundesgerichtshof zu entscheiden hätte.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 25.01.2024, 26 U 11/23, nicht rechtskräftig