29.01.2024
Pizzeria-Eröffnung in Pandemie: Muss Anspruch auf Kurzarbeitergeld nicht entgegenstehen
Bei Eröffnung eines Betriebes (hier: einer Pizzeria) Mitte August 2020 war nicht mit einer vollständigen behördlichen Untersagung des Betriebes ab November zu rechnen. Dies hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen im Zusammenhang mit einem Anspruch auf Kurzarbeitergeld entschieden.
Der Kläger betreibt seit Oktober 2020 ein italienisches Restaurant. Ab dem 02.11.2020 durften Restaurants im "Lockdown light" nicht mehr öffnen. Der Kläger vereinbarte mit seinen Angestellten Kurzarbeit. Die beklagte Bundesagentur für Arbeit lehnte die Anerkennung eines Arbeitsausfalls als Voraussetzung der Gewährung von Kurzarbeitergeld ab. Hiergegen wehrte sich der Kläger erfolgreich vor dem Sozialgericht Düsseldorf (SG).
Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG diese verurteilt, das Vorliegen eines erheblichen Arbeitsausfalls sowie der übrigen betrieblichen Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld für den Zeitraum von November 2020 bis März 2021 festzustellen, und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Da lediglich der Anerkennungsbescheid auf der 1. Stufe des Bewilligungsverfahrens angefochten sei, könne die vom SG vorgenommene Verurteilung zur Leistung nicht erfolgen. Es habe aber zu Recht angenommen, dass ein erheblicher Arbeitsausfall vorliege, der nicht vermeidbar gewesen sei (§§ 95, 96 SGB III).
Der Kläger habe auch in der Zeit einer weltweiten Pandemie nicht von vornherein von einer Betriebsgründung absehen müssen. Er habe ihn rechtlich bindende Handlungen zur Restauranteröffnung ab August 2020 vorgenommen, zum Beispiel Arbeitsverträge abgeschlossen und Sanitär- und Heizungsarbeiten ausführen lassen. Zu diesem Zeitpunkt habe er nicht mit einer vollständigen behördlichen Untersagung des Restaurantbetriebes ab November 2020 rechnen müssen.
Ihm allenfalls vage ersichtliche Risiken für eine Betriebseröffnung vorzuhalten, verkenne zudem, dass die Menschheit und auch die administrativen und politischen Entscheidungsträger 2020 keine Vorerfahrungen mit dem Verlauf einer weltweiten Pandemie besessen hätten. Weder ließen Presseverlautbarungen des späteren Gesundheitsministers Karl Lauterbach im August 2020 noch die von der Bundeskanzlerin mit den Spitzen der Länderregierungen am 29.09.2020 abgestimmte Hotspot-Strategie darauf schließen, dass Restaurants geschlossen werden würden. Selbst das Robert Koch-Institut habe noch am 23.10.2020 keine solche Empfehlung ausgesprochen.
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.10.2023, L 20 AL 174/22