26.01.2024
Große Flugverspätung: Dennoch kein Anspruch auf pauschale Ausgleichszahlung
Trotz großer Verspätung seines Fluges hat ein Fluggast keinen Anspruch auf eine pauschale Ausgleichszahlung, wenn er sich erst gar nicht zum Flugsteig begeben hat oder wenn ihm der Kauf eines Flugscheins für einen Ersatzflug ermöglicht hat, den Zielort mit weniger als drei Stunden Verspätung zu erreichen. Dies stellt der Europäische Gerichtshof (EuGH) klar. Der Schaden des Zeitverlusts könne unter diesen Umständen nicht festgestellt werden.
Für zwei Flüge der Fluggesellschaft Laudamotion von Düsseldorf nach Palma de Mallorca wurde eine Verspätung von mehr als drei Stunden angekündigt. Zwei Fluggäste beschlossen, den Flug nicht anzutreten, da sie befürchteten, dass sie durch die Verspätung des von ihnen gebuchten Fluges einen Geschäftstermin verpassen würden. Der Flug des ersten Fluggasts kam tatsächlich mit drei Stunden und 32 Minuten Verspätung an. Der zweite Fluggast buchte selbst einen Ersatzflug, dank dessen er den Zielort mit einer Verspätung von weniger als drei Stunden gegenüber dem ursprünglichen Flug erreichte.
Beide Fluggäste begehrten eine pauschale Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung. Der Bundesgerichtshof legte die Sache dem EuGH vor. Dieser schließt in den beiden Fallgestaltungen einen Ausgleichsanspruch aus.
Er verweist auf seine Rechtsprechung, wonach Fluggäste verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden, wenn die Verspätung drei Stunden oder mehr beträgt. Der entscheidende Gesichtspunkt, der ihn zu dieser Gleichstellung veranlasst hat, besteht laut EuGH darin, dass die Fluggäste eines Fluges mit großer Verspätung ebenso wie die Fluggäste eines annullierten Fluges einen Schaden erleiden, der in einem irreversiblen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr besteht.
Ein Fluggast, der sich nicht zum Flughafen begeben hat, habe aber aller Wahrscheinlichkeit nach keinen solchen Zeitverlust erlitten. Außerdem solle ein Flug, der eine große Verspätung hat, dennoch durchgeführt werden, sodass die Abfertigung vorgenommen werden muss. Daraus folge, dass Fluggäste eines solchen Fluges nicht von der Pflicht, sich zur Abfertigung einzufinden, befreit sind – anders als Fluggäste eines annullierten Fluges, für den eine solche Befreiung in der Fluggastrechteverordnung ausdrücklich vorgesehen ist.
Diese Verordnung ziele schließlich darauf ab, Schäden wiedergutzumachen, die für alle betroffenen Fluggäste praktisch identisch sind. Ein Schaden, der durch das Versäumen eines Geschäftstermins verursacht wurde, sei allerdings ein individueller. Er könnte daher nur mittels eines weiter gehenden Schadensersatzes ausgeglichen werden. Darüber hinaus habe auch ein Fluggast, der den Flug, für den er über eine bestätigte Buchung verfügte, freiwillig nicht angetreten hat und der dank eines Ersatzflugs, für den er auf eigene Initiative einen Platz reserviert hat, das Endziel mit einer Verspätung von weniger als drei Stunden gegenüber der ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreicht hat, keinen Zeitverlust erlitten, der zu einer pauschalen Ausgleichszahlung berechtigt.
Der Gerichtshof weist darauf hin, dass mit der Fluggastrechteverordnung Ärgernissen und großen Unannehmlichkeiten, die Fluggäste im Zusammenhang mit einem Flug erleiden, abgeholfen werden soll. Eine solche Unannehmlichkeit, die sich möglicherweise daraus ergibt, dass ein Fluggast selbst einen Ersatzflug finden musste, könne jedoch nicht als groß im Sinne der Fluggastrechteverordnung angesehen werden, wenn der Fluggast sein Endziel mit einer Verspätung von weniger als drei Stunden erreicht hat.
Gerichtshof der Europäischen Union, Urteile vom 25.01.2024, C-474/22 und C-54/23