25.01.2024
Schwenken eines Filetiermessers: Muss außerordentliche Kündigung nicht rechtfertigen
Wer mit einem äußerst scharfen Filetiermesser hantiert, muss besonders sorgfältig agieren, um Verletzungen von Kollegen auszuschließen. Nicht jeder Fehlgebrauch rechtfertigt aber eine Kündigung ohne vorherige einschlägige Abmahnung. Dies hat Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein entschieden.
Der Kläger ist bei der Beklagten, die mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigt, seit Juni 2019 als Industriemechaniker beschäftigt. Als er mit einer Mitarbeiterin und einem Mitarbeiter an einem Probierstand arbeitete, soll er der Mitarbeiterin ein Filetiermesser mit einer Klingenlänge von 20 Zentimetern mit einem Abstand von zehn bis 20 Zentimetern an den Hals gehalten und damit deren Leib und Leben bedroht haben. Ob dies wirklich so war, ist zwischen den Parteien strittig. Jedenfalls kündigte die Beklagte dem Kläger im Anschluss fristlos und hilfsweise ordentlich.
Die Kündigungsschutzklage des Klägers war in zwei Instanzen erfolgreich. Sowohl die außerordentliche als auch die ordentliche Kündigung seien unwirksam. Es fehle an einem hinreichenden Kündigungsgrund. Zwar komme eine ernstliche Drohung des Arbeitnehmers mit Gefahren für Leib oder Leben unter anderem von Arbeitskollegen an sich als wichtiger Grund für eine Kündigung in Betracht. Dies setze aber voraus, dass der Arbeitnehmer mit dem Willen handelt, dass der Kollege die Drohung zur Kenntnis nimmt und als ernst gemeint auffasst.
Selbst wenn man den Vortrag der Beklagten als zutreffend unterstellt, könne jedoch nicht zur Überzeugung des Gerichts auf einen bedingten Vorsatz des Klägers geschlossen werden. Vielmehr sei auch möglich, dass dieser sich mit dem Messer in der Hand mit dem Oberkörper zur Mitarbeiterin gedreht hat und seine Hand bei dieser Bewegung mit dem Messer nahe an deren Hals gelangt ist.
Die Kündigungen könnten aber auch nicht darauf gestützt werden, dass der Kläger allein durch das Hantieren mit dem Messer Leib und Leben der Mitarbeiterin objektiv und fahrlässig gefährdet hat. Der unsachgemäße Umgang mit einem Messer stelle zwar eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar, so das LAG. Diese hätte nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz den Ausspruch einer fristlosen oder fristgerechten Kündigung nur gerechtfertigt, wenn der Kläger zuvor wegen einer ähnlichen Pflichtverletzung abgemahnt worden wäre. Insbesondere stehe auch nach dem Vortrag der Beklagten nicht zur Überzeugung des LAG fest, dass der Kläger das Messer bewusst und aktiv an den Hals der Mitarbeiterin gehalten hat.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.07.2023, 5 Sa 5/23, rechtskräftig