22.01.2024
Kfz-Kosten: Können bei Erhebung jugendhilferechtlichen Kostenbeitrags einkommensmindernd zu berücksichtigen sein
Bei der Erhebung eines jugendhilferechtlichen Kostenbeitrags können die Kosten eines Kraftfahrzeugs nach unterhaltsrechtlichen Maßstäben einkommensmindernd zu berücksichtigen sein. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden.
Der beklagte Landkreis gewährte für den Sohn der Klägerin Eingliederungshilfe in Form der vollstationären Unterbringung nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) und zog die Klägerin zu einem Kostenbeitrag aus ihrem Einkommen heran. Mit ihrer gegen die Höhe des Kostenbeitrags gerichteten Klage machte sie insbesondere geltend, dass für die mit ihrem Kfz durchgeführten Fahrten zu ihrer Arbeitsstätte höhere Kosten sowie die unter anderem auf die Anschaffung des Kfz entfallenden Kosten eines Kredits hätten einkommensmindernd berücksichtigt werden müssen.
Die Klage hatte sowohl vor dem Verwaltungs- als auch dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Erfolg. Die Vorinstanzen haben die beruflich bedingten Fahrtkosten nach unterhaltsrechtlichen Maßstäben ermittelt und auch die geltend gemachten Finanzierungskosten für das genutzte Kfz vollumfänglich einkommensmindernd berücksichtigt. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner vom OVG zugelassenen Revision. Das BVerwG hat das Urteil des OVG aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen.
Nach den gesetzlichen Regelungen (§§ 91 ff. Sozialgesetzbuch VIII) ziehe der Jugendhilfeträger Eltern aus ihrem Einkommen in angemessenem Umfang zu den Kosten heran, wenn er für ihr Kind vollstationäre Eingliederungshilfe erbringt. Weil die teil- beziehungsweise vollstationären Angebote auch die Sicherstellung des notwendigen Unterhalts des untergebrachten Kindes oder jungen Menschen umfassen und insoweit zum Erlöschen der darauf gerichteten zivilrechtlichen Unterhaltsansprüche führen, trete der öffentlich-rechtliche Kostenbeitrag an die Stelle von Ansprüchen gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen.
Für die Festsetzung der Kostenbeiträge bestimme die Kostenbeitragsverordnung nach Einkommensgruppen gestaffelte Pauschalbeträge. Vom Einkommen seien Belastungen des kostenbeitragspflichtigen Elternteils in Höhe von 25 Prozent des Einkommens abzuziehen. Höhere Belastungen könnten abgezogen werden, soweit sie nach Grund und Höhe angemessen sind und die Grundsätze einer wirtschaftlichen Lebensführung nicht verletzen. In Betracht kämen insbesondere mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben sowie Schuldverpflichtungen, die der Kostenbeitragspflichtige nachzuweisen hat.
Danach könnten auch Kosten für die Fahrt mit dem eigenen Kfz zur Arbeitsstätte einkommensmindernd zu berücksichtigen sein. Diese Kosten sind laut BVerwG entgegen in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen nicht nach sozialhilfe- oder steuerrechtlichen, sondern nach unterhaltsrechtlichen Maßstäben zu ermitteln. Sie kämen insbesondere in den unterhaltsrechtlichen Leitlinien desjenigen Oberlandesgerichts zum Ausdruck, das für die gegen den Elternteil gerichtete Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs zuständig wäre. Dementsprechend seien diese Belastungen regelmäßig in Form einer sämtliche Kfz-Kosten (einschließlich Finanzierung) erfassenden Wegstreckenpauschale sowohl für den Weg zur Arbeitsstätte als auch den Heimweg anzusetzen.
Dafür spreche vor allem, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung der Berechnungsregelungen auch den Zweck verfolgt habe, Wertungswidersprüche zum Unterhaltsrecht zu vermeiden und die Kostenbeteiligung insofern an den Unterhaltsanspruch des Kindes anzulehnen, der Grund und Grenze der Kostenbeitragspflicht darstellt. Daneben könnten Kfz-Finanzierungskosten einkommensmindernd zu berücksichtigen sein, wenn und soweit die Haltung eines Kfz außerhalb der bereits durch die Wegstreckenpauschale vollständig abgedeckten Nutzung für den Arbeitsweg nach unterhaltsrechtlichen Maßstäben anzuerkennen ist.
Eine doppelte Berücksichtigung von Finanzierungskosten sei auszuschließen. Soweit die Belastungen angemessen sind und die Grundsätze einer wirtschaftlichen Lebensführung nicht verletzen, seien sie ohne Ermessensspielraum der Behörde einkommensmindernd zu berücksichtigen. Da das OVG zu den maßgeblichen tatsächlichen Verhältnissen hinsichtlich der Kfz-Nutzung sowie zu weiteren als einkommensmindernd geltend gemachten Positionen keine hinreichenden Feststellungen getroffen hat, war die Sache laut BVerwG an dieses zurückzuverweisen.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18.01.2024, BVerwG 5 C 13.22