16.01.2024
Gepäckaufgabe verpasst: Kein Grund zur Kündigung des Reisevertrages
Planen Reisende mit einer längeren Anfahrt zum Flughafen per Bahn nicht genug Puffer ein und verpassen deswegen die Gepäckaufgabe, so berechtigt sie die Nichtbeförderung des Gepäcks nicht zur Kündigung des Reisevertrages aufgrund eines Reisemangels. Dies hat das Amtsgericht (AG) München entschieden und die Klage gegen einen Reiseveranstalter auf Rückerstattung des Reisepreises für eine Pauschalreise von 3.998 Euro abgewiesen.
Die Klägerin hatte bei der Beklagten für sich und ihren Ehemann eine Pauschalreise nach Kuba gebucht. Inbegriffen war ein Rail & Fly-Ticket für eine Bahnfahrt am Tag des Hinfluges zum Flughafen München.
Als die Klägerin und ihr Ehemann am Flughafen ankamen, hatte das Boarding für den Flug nach Kuba bereits begonnen. Eine Gepäckaufgabe war für die Reisenden nicht mehr möglich – weder am Gepäckautomaten noch am Check-in Schalter. Das Angebot der Fluggesellschaft, den Flug ohne Aufgabegepäck anzutreten, lehnten die Klägerin und ihr Ehemann ab.
Die Klägerin führt aus, sie sei gemeinsam mit ihrem Ehemann aufgrund einer Zugverspätung gegen 11.00 Uhr am Schalter der Fluggesellschaft eingetroffen. Da die Gepäckaufgabe bis 11.10 Uhr hätte möglich sein sollen, sei das bereits begonnene Boarding kein Grund gewesen, die Flugreise nach Kuba mit Aufgabegepäck zu verweigern.
Aus Sicht der Beklagten beruht die Nichtbeförderung ausschließlich auf der Verletzung von Mitwirkungshandlungen der Reisenden. Entgegen wiederholter Hinweise hätten die Reisenden keine, allenfalls unangemessen kurze Zeitreserven für die mehr als 400 Kilometer lange Anreise zum Flughafen eingeplant.
Das AG München wies die Klage auf Rückerstattung des Reisepreises gegen den Reiseveranstalter ab. Der Nichtantritt der Weiterbeförderung per Flugzeug durch die Klägerin trotz entsprechenden Angebotes der Beklagten stelle eine konkludente Kündigung des Reisevertrages dar. Die Kündigung sei aber nicht wirksam gewesen, da kein (erheblicher) Reisemangel vorgelegen habe.
Einem Reisenden oblägen bei der Durchführung einer Reise grundsätzlich Mitwirkungsobliegenheiten: Bei Flugreisen sei er verpflichtet, rechtzeitig am Flughafen zur Abfertigung zu erscheinen und bei vereinbarter Bahnanreise, die Zugverbindung so zu planen, dass er rechtzeitig am Flughafen erscheinen kann.
Vorliegend habe die Beklagte auf den von der Klägerin genutzten Rail&Fly-Tickets empfohlen, die Anreise so zu planen, dass der Reisende den Check-in Schalter zwei Stunden vor Abflug erreicht, und zusätzlich einen Zeitpuffer von 45 Minuten je 100 Kilometer Anreise einzuplanen. Tatsächlich sei die Klägerin diesen Empfehlungen nicht gefolgt. Sie habe eine Zugverbindung gewählt, die eine planmäßige Ankunft am Flughafen nicht einmal zwei Stunden vor Abflug um 11.50 Uhr vorsah.
Der Hinweis des ausführenden Luftfahrtunternehmens auf der Boardkarte, eine Gepäckabgabe am Gepäckautomaten könne später als 11.10 Uhr nicht erfolgen, ändere am überwiegenden Verschulden der Klägerin an der Nicht-Beförderung ihres Gepäcks nichts. Zum einen handele es sich insoweit lediglich um eine Erklärung der Erfüllungsgehilfin der Beklagten, auf die die Klägerin angesichts der sich aus dem Rail & Fly-Ticket ergebenden entgegenstehenden Anreisehinweise der Beklagten als ihrer Vertragspartnerin nicht vertrauen durfte. Zum anderen habe die Klägerin auch nicht davon ausgehen dürfen, dass sie tatsächlich bis zur buchstäblich letzten Minute Gelegenheit haben würde, ihr Gepäck abzugeben. Darauf deute bereits der Wortlaut des Hinweises "nicht später als" (statt: "bis") hin. Auch seien geringfügige Verschiebungen der Abflug- und Boardingzeiten aufgrund der Abläufe an einem großen Flughafen wie dem Münchner mit eng getakteten Zeitkorridoren und einer Vielzahl von Abflügen und Ankünften regelmäßig zu erwarten.
Amtsgericht München, Urteil vom 04.08.2021, 158 C 4570/20, rechtskräftig