09.01.2024
Kindergeld: Anforderungen an den Nachweis einer Behinderung
Das Finanzgericht (FG) Hamburg hat die Anforderungen, die an den Nachweis der Behinderung eines deswegen möglicherweise kindergeldberechtigten Kindes zu stellen sind, konkretisiert.
Es stellt klar, dass das Finanzgericht im Rahmen einer Gesamtwürdigung – etwa auf der Grundlage vorliegender ärztlicher Beurteilungen – zu entscheiden habe, ob eine Behinderung im Sinne des § 32 Absatz 4 S. 1 Nr. 3 Einkommensteuergesetz besteht. Dabei komme es darauf an, ob eine Behinderung im Sinne der maßgeblichen Legaldefinition des § 2 Absatz 1 S. 1 Sozialgesetzbuch IX vorliegt.
Die Form des Nachweises der Behinderung sei nicht gesetzlich geregelt. Auch die in der Dienstanweisung des Bundeszentralamtes für Steuern zum Kindergeldrecht (DA-KG 2022 A 19.2) formulierten Möglichkeiten des Nachweises der Behinderung könnten nicht abschließend vorgeben, wie der Nachweis der Behinderung zu erbringen ist.
Auch ohne eine Verwendung des Begriffes Behinderung in einer ärztlichen Bescheinigung oder einem Gutachten müsse das Gericht gleichwohl prüfen, ob aufgrund der vorliegenden ärztlichen Bescheinigungen beziehungsweise Gutachten mit der für die gerichtliche Entscheidungsfindung erforderlichen Sicherheit auf eine Behinderung im Sinne der oben genannten Legaldefinition zu schließen ist.
Abschließend betont das FG, dass nur ein solches Verständnis der Anforderungen an den Nachweis einer Behinderung auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) zur Abgrenzung zwischen der Berücksichtigung von Kindern bei krankheitsbedingter Hinderung an der Durchführung einer Ausbildung oder Suche nach einem Ausbildungsplatz einerseits und den Fällen behinderter Kinder andererseits stehe. Hier nehme der BFH eine Abgrenzung ausschließlich danach vor, ob die gesundheitliche Beeinträchtigung regelmäßig mit hoher Wahrscheinlichkeit prognostisch nicht länger als sechs Monate oder aber mehr als sechs Monate dauert (Urteil vom 31.08.2021, III R 41/19, Urteil vom 07.10.2021, III R 48/19 und Urteil vom 15.12.2021, III R 43/20).
Im vom FG Hamburg zu entscheidenden Fall habe die Auswertung von amtsärztlichen Gesundheitszeugnissen und Gutachten eines Sozialmedizinischen Dienstes auch ohne das Vorliegen von Bescheinigungen eines behandelnden Arztes und trotz erst spät im Verfahrensverlauf erfolgter Feststellung eines Grades der Behinderung zur Überzeugung des Gerichts vom Vorliegen einer Behinderung und deren Eintritt bereits vor Vollendung des 25. Lebensjahres geführt.
Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 12.10.2023, 1 K 121/22, rechtskräftig