05.01.2024
Gewinnbegriff beim Investitionsabzugsbetrag
Das Tatbestandsmerkmal "Gewinn" im Sinne von § 7g Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) ist als Steuerbilanzgewinn und nicht als steuerlicher Gewinn im Sinne von § 2 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 EStG auszulegen. Außerbilanzielle Positionen sind nicht zu berücksichtigen. Dies hat das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg entschieden (gegen Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) vom 15.06.2022, BStBl. I 2022, 945).
Die Klägerin betrieb im Streitjahr einen Gewerbebetrieb und ermittelte den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Danach ergab sich ein unstreitiger Steuerbilanzgewinn von 199.309,90 Euro. Unter Berücksichtigung von ebenfalls unstreitigen außerbilanziellen Kürzungen (steuerfreie Erträge nach § 3 Nr. 40 EStG von 1.170 Euro) und Hinzurechnungen (nichtabziehbare Betriebsausgaben nach § 4 Absatz 5, 6 und 7 EStG von 1.457 Euro sowie Gewerbesteuer nach § 4 Absatz 5b EStG von 10.199 Euro) ergab sich ein steuerpflichtiger Gewinn im Sinne von § 2 Absatz 2 S. 1 Nr. 1 EStG von 209.795,90 Euro. Zum 31.12.2020 machte die Klägerin einen gewinnmindernden Investitionsabzugsbetrag von 120.000 Euro geltend.
Das Finanzamt ging entsprechend dem BMF-Schreiben vom 15.06.2022 (BStBl. I 2022, 945) davon aus, dass der vom Kläger beanspruchte Investitionsabzugsbetrag nicht gewährt werden könne, da die Gewinngrenze des § 7g Absatz 1 S. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG von 200.000 Euro überschritten sei. Die Klage hatte Erfolg.
Der Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbetragsbescheid 2020 seien abzuändern, weil ein Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Absatz 1 EStG in Höhe von 120.000 Euro gewinnmindernd zu berücksichtigen sei, so das FG. Die Klägerin habe die Gewinngrenze von 200.000 Euro nicht überschritten, weil sie einen Gewinn im Sinne von § 7g Absatz 1 Satz 2 EStG Höhe von 199.309,90 Euro (Steuerbilanzgewinn) erzielt habe.
Nach Ansicht des FG ist unter "Gewinn" im Sinne von § 7g Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 EStG der Steuerbilanzgewinn und nicht der steuerliche Gewinn im Sinne von § 2 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 EStG zu verstehen. Eine Korrektur um außerbilanzielle Positionen wie nichtabziehbare Betriebsausgaben oder einkommensteuerfreie Einnahmen finde nicht statt.
Eine eigenständige Definition des Begriffs "Gewinn" finde sich in § 7g Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 EStG nicht. Es sei zwar bestimmt, dass der Gewinn nach § 4 oder § 5 EStG zu ermitteln und damit grundsätzlich an den nach steuerrechtlichen Vorschriften ermittelten Gewinn und nicht – bei Gewerbetreibenden – an den handelsbilanziellen Jahresüberschuss anzuknüpfen sei. Nicht geregelt sei jedoch, ob der Gewinn um nicht abziehbare Betriebsausgaben zu erhöhen beziehungsweise um steuerfreie Betriebsvermögensmehrungen zu mindern ist, das heißt der steuerliche Gewinn im Sinne von § 2 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 EStG für die Bestimmung der Gewinngrenze ausschlaggebend sein soll.
Der Wortlaut des § 7g Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 EStG deute auf eine Maßgeblichkeit des nicht korrigierten Gewinns hin. Das Gesetz stelle auf den nach § 4 beziehungsweise § 5 EStG "ermittelten" Gewinn ab. Dies lasse darauf schließen, dass Erhöhungen und Minderungen, die sich außerhalb der Gewinnermittlung vollziehen würden, bei der Bestimmung des Grenzwerts von 200.000 Euro unberücksichtigt bleiben sollen.
Zwar könnte auch ein nach "§ 4" ermittelter Gewinn die Korrekturen nach § 4 Absatz 5 EStG (nicht abziehbare Betriebsausgaben), § 4 Absatz 5b EStG (nicht abziehbare Gewerbesteuer) und § 4 Absatz 4a EStG (nicht abziehbare Schuldzinsen) enthalten. Damit sei aber nicht erklärt, weshalb auch andere – nicht in § 4 EStG normierte – Korrekturen in die Gewinngrenze einzubeziehen wären (zum Beispiel Teilabzugsverbot nach § 3c Absatz 2 EStG, Teileinkünfteverfahren gemäß § 3 Nr. 40 EStG, bei Körperschaften: nicht abziehbare Aufwendungen nach § 10 Körperschaftsteuergesetz). Zudem spreche mehr dafür, dass der Gesetzgeber mit der Formulierung "nach § 4 […] ermittelter Gewinn" zum Ausdruck bringen wollte, nicht nur die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Absatz 1 Satz 1 EStG, sondern ebenso diejenige durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung gemäß § 4 Absatz 3 EStG als für Zwecke des § 7g EStG zulässige Gewinnermittlung zu bestimmen.
Nach dem Gesetzeszweck sollen sowohl durch den Investitionsabzugsbetrag als auch durch Sonderabschreibungen die Liquidität, Eigenkapitalausstattung und die Investitions- und Innovationsbereitschaft begünstigter Klein- und Mittelbetriebe gestärkt werden. Dabei soll die von der Einkunftsart unabhängige einheitliche Gewinngrenze zu einem zielgenaueren und in der Praxis auch ohne besonderen Verwaltungsaufwand anwendbaren Abgrenzungskriterium führen. Indikator für eine Einstufung als begünstigungsfähiger Betrieb sei der Gewinn, der die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abbilde. Dies lasse nur den Schluss zu, dass auch nach der Vorstellung des Gesetzgebers das durch die jeweilige Gewinnermittlungsmethode gewonnene Ergebnis für die Bestimmung des Grenzwerts maßgeblich sei. Betriebsausgaben im Sinne von § 4 Absatz 4 EStG, die lediglich aufgrund spezieller gesetzlicher Anordnung bei der Berechnung des letztlich zu besteuernden Gewinns wieder hinzuzurechnen sind (zum Beispiel § 4 Absatz 4a, Absatz 5 und Absatz 5b EStG), minderten die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen. Dasselbe gelte umgekehrt für den Zufluss steuerfreier Betriebsvermögensmehrungen.
Eine historische Auslegung von § 7g Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 EStG führe zu keinem eindeutigen Ergebnis. Die Gewinnhöhe als Anknüpfungspunkt für die Betriebsgrößengrenze bei Einnahmen-Überschuss-Rechnern nach § 7g Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. c EStG a.F. sei durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 eingeführt worden. Aus der Begründung des Gesetzentwurfs ergebe sich jedoch nicht, was der Gesetzgeber unter "Gewinn" verstanden habe.
Die gesetzessystematische Auslegung von § 7g Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 EStG führe zu der Schlussfolgerung, dass "Gewinn" das durch die jeweilige Gewinnermittlungsmethode gewonnene Ergebnis bedeute. Dies ergebe sich aus einem Vergleich zur Auslegung der Gewinnbegriffe in § 4 Absatz 4a Satz 2 EStG und in § 34a Absatz 2 EStG. Für diese Fälle habe der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass insoweit nur der steuerbilanzielle Gewinn maßgeblich sein könne und außerbilanzielle Gewinnkorrekturen nicht zu berücksichtigen seien. Gründe für eine unterschiedliche Auslegung der Gewinnbegriffe in § 4 Absatz 4a Satz 2 EStG, § 7g Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 EStG und § 34a Absatz 2 EStG seien nicht erkennbar.
Gegen die Entscheidung wurde Revision eingelegt, die beim BFH unter dem Aktenzeichen X R 14/23 läuft.
Finanzgericht Baden-Württemberg, Gerichtsbescheid vom 02.05.2023, 1873/22, nicht rechtskräftig