11.12.2023
Sozialhilferecht: Widerspruch per einfacher E-Mail ist unwirksam
Der Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt unterliegt gesetzlichen Formvorschriften. Er kann schriftlich oder zur Niederschrift eingelegt werden. Wird er in elektronischer Form eingelegt, ist eine qualifizierte elektronische Signatur beziehungsweise die Versendung per De-Mail erforderlich. Eine einfache E-Mail reicht nicht aus, wie das Landessozialgericht (LSG) Hessen entschieden hat.
Ein Fachjournalist für IT-Technik legte gegen einen Sozialhilfebescheid per einfacher E-Mail Widerspruch ein. Die Sozialhilfebehörde teilte dem schwerbehinderten Mann unverzüglich mit, dass sie den Widerspruch als unzulässig zurückweise. Es fehle die qualifizierte elektronische Signatur. Er übersandte daraufhin seinen Widerspruch fristgemäß per Fax.
Der 61-jährige Mann legte zudem Klage gegen die Behörde ein, um eine grundsätzliche Regelung zu erreichen. Die Behörde sollte gerichtlich verpflichtet werden, auch formgebundenen Schriftverkehr (insbesondere die Einlegung von Widersprüchen) per einfacher E-Mail zuzulassen. Aufgrund seiner Schwerbehinderung sei es dringend notwendig, mit Behörden und Gerichten einfach und unkompliziert per E-Mail zu kommunizieren. Die Kosten für De-Mail und das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach seien nicht in der Regelbedarfsbemessung für die Sozialhilfe enthalten. Er werde als behinderter Mensch benachteiligt und sein Anspruch auf barrierefreie Kommunikation verletzt.
Sozialgericht und LSG erklärten die Klage für unbegründet. Der Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt unterliege gesetzlichen Formvorschriften. Zwar sei auch eine elektronische Übermittlung vorgesehen. Voraussetzung sei aber eine qualifizierte elektronische Signatur. Es müsse erkennbar sein, dass nur solche Schreiben als Widerspruch gewertet werden, aus denen sich klar ergebe, dass sie von dem Betreffenden willentlich in den Verkehr gebracht worden sind. Dies sei bei einer einfachen E-Mail nicht gegeben.
Der Kläger werde hierdurch nicht in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Zwar seien Menschen gemäß Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz wirksam davor zu schützen, wegen einer Behinderung benachteiligt zu werden. Eine Benachteiligung könne zum Beispiel in einem Ausschluss von Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten durch die öffentliche Gewalt liegen, der nicht hinlänglich kompensiert werde. Hiervon sei beim Kläger jedoch nicht auszugehen. Er nutze ein Fax-Gerät, mit dem formgerecht Widerspruch und andere Rechtsmittel eingelegt werden könnten. Damit könne er sich nicht erfolgreich auf die Erschwernisse bei der Einrichtung des gesetzeskonformen Übertragungsweges beziehungsweise einer Möglichkeit zur qualifizierten elektronischen Signatur berufen.
Darüber hinaus bleibe es dem Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit überlassen, den barrierefreien Zugang zu behördlichem und gerichtlichem Rechtsschutz näher auszugestalten.
Das LSG hat die Revision nicht zugelassen.
Landessozialgericht Hessen, L 4 SO 180/21, 07.12.2023