23.08.2023
Stellplatzkosten bei der doppelten Haushaltsführung unbegrenzt abzugsfähig?
Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nummer 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten.
Zu den notwendigen Mehraufwendungen einer doppelten Haushaltsführung zählen neben Aufwendungen für wöchentliche Familienheimfahrten und zeitlich befristeten Verpflegungsmehraufwendungen vor allem die notwendigen Kosten der Unterkunft am Beschäftigungsort. Seit der Neufassung des § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 EStG zum Veranlagungszeitraum 2014 können die tatsächlichen Aufwendungen für die Nutzung einer inländischen Unterkunft höchstens mit 1.000 Euro im Monat als Werbungskosten angesetzt werden. Von den nur begrenzt abziehbaren Unterkunftskosten sind jedoch nach ständiger und im Anschluss an die gesetzliche Neufassung fortgeführten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sonstige notwendige Mehraufwendungen abzugrenzen. So beispielsweise der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 4.4.2019 unter dem Aktenzeichen VI R 18/17.
Entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung gehören daher nach Auffassung des Niedersächsischen Finanzgerichtes mit Urteil vom 16.3.2023 unter dem Aktenzeichen 10 K 202/22 die Mietkosten eines Steuerpflichtigen für einen Tiefgaragenstellplatz nicht zu den Kosten der Wohnung. Vielmehr sind solche Aufwendungen unter Beachtung der Einzelfallumstände nur mittelbar und gelegentlich im Zusammenhang mit der Anmietung bzw. Nutzung der Zweitwohnung angefallen und deshalb den sonstigen notwendigen Mehraufwendungen zuzuordnen. Insoweit ist die Stellplatzanmietung nicht mit der Nutzung der Zweitwohnung gleichzusetzen. So die erstinstanzliche Entscheidung aus Niedersachsen.
Welche Aufwendungen der doppelten Haushaltsführung als sonstige Kosten einzuordnen sind oder auf die Nutzung der Unterkunft entfallen und daher nur in Höhe der gesetzlichen Höchstgrenze abziehbar sind, wird durch das Gesetz leider nicht näher bestimmt. Im Schriftentum, in der Rechtsprechung und durch die Finanzverwaltung werden hierzu leider unterschiedliche Meinungen vertreten. Dies gilt zum Leidwesen für alle Praktiker insbesondere auch für die Einordnung zusätzlicher Stellplatzkosten am Zweitwohnsitz.
Das Finanzgericht in Niedersachsen vertritt jedoch in der oben bereits zitierten Entscheidung ganz klar folgende Meinung: Vom Wortlaut der Norm ausgehend versteht der Bundesfinanzhof die von der Abzugsbeschränkung erfassten Unterkunftskosten als die Summe aller Aufwendungen, die der Steuerpflichtige getragen hat, um die Unterkunft zu nutzen, soweit sie ihr einzelnen zugeordnet werden können. So auch in dem oben bereits zitierten Urteil des Bundesfinanzhofs vom 4.4.2019. Dies gilt für die Bruttokaltmiete, aber auch für alle Betriebskosten einschließlich Stromkosten, da diese ebenfalls durch den Gebrauch der Unterkunft entstehen. Nicht zu den nur beschränkt abzugsfähigen Unterkunftskosten, sondern zu den sonstigen notwendigen Mehraufwendungen, gehören demgegenüber Aufwendungen des Steuerpflichtigen für Haushaltsartikel und Einrichtungsgegenstände. Hat der Steuerpflichtige eine möblierte oder teilmöblierte Wohnung angemietet, liegt in der gestatteten Mitbenutzung der Möbel regelmäßig ebenfalls ein gesteigerter und in Entgelt messbarer, gegebenenfalls der Höhe nach zu schätzender eigener Nutzungswert.
Auch der Bundesfinanzhof rechnete Stellplatz- und Garagenkosten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung schon bislang den sonstigen Mehraufwendungen und nicht den beschränkt abzugsfähigen beruflichen Mobilitätskosten zu. Auf dieser Linie ist beispielsweise seine ältere Entscheidung vom 13.11.2012 unter dem Aktenzeichen VI R 50/11. Hieran hat sich nach Meinung des Niedersächsischen Finanzgerichtes durch die gesetzliche Neuregelung nichts geändert.
Die gleiche Meinung vertritt das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern mit Urteil vom 21.9.2022 unter dem Aktenzeichen 3 K 48/22 sowie das Finanzgericht des Saarlandes mit Gerichtsbescheid vom 20.5.2020 unter dem Aktenzeichen 2 K 1251/17. Ebenfalls wird diese Auffassung an zahlreichen Stellen in der Literatur vertreten. Denn die Kosten werden (ebenso wie die Aufwendungen für Einrichtungsgegenstände oder für gemietete Möbel) nicht unmittelbar durch die Nutzung der Zweitwohnung verursacht, sondern durch die dem Stellplatzmieter eröffnete und vom reinen Gebrauchswert der Wohnung zu trennende Möglichkeit, den Pkw in der Tiefgarage geschützt abstellen zu können. Hierfür ist unerheblich, dass die durch den Kläger abgeschlossenen Mietverträge inhaltlich aufeinander Bezug nehmen. Auch der Umstand, dass sich die Tiefgarage im gleichen Gebäude befindet und der Stellplatz durch den gleichen Vermieter überlassen wurde, nimmt dem Steuerpflichtigen nicht den mit der Stellplatzüberlassung verbundenen Mehrwert an Gebrauchsmöglichkeiten. Das hier erkennende erstinstanzliche Finanzgericht bezweifelt deshalb, dass der Fall tatsächlich anders zu beurteilen wäre, wenn Unterkunft und Stellplatz eine untrennbare Einheit bildeten. Im vorliegenden Fall konnte dies jedoch letztendlich offenbleiben.
Weiterhin stellte das Gericht jedoch noch fest, dass seine Meinung auch dem Sinn und Zweck des Gesetzes entspricht. Nach der Begründung des Gesetzesentwurfs sollte auf die aufwändige Ermittlung der früheren ortsüblichen Vergleichsmiete verzichtet werden und stattdessen auf die tatsächlichen Unterkunftskosten abgestellt werden. Die Festsetzung des Betrags von 1.000 Euro orientierte sich dabei an einer von der Rechtsprechung bisher immer herangezogenen, nach Lage und Ausstattung durchschnittlichen, ca. 60 Quadratmeter großen Wohnung. Deren Bruttokaltmieten lägen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes deutschlandweit überwiegend innerhalb dieser Preisgrenze.
Unveränderte Bezugsgröße sind demnach nur diejenigen Unterkunftskosten, die üblicherweise in die Berechnung der durchschnittlichen Wohnungsmiete einfließen und damit auch von dem Pauschalbetrag von 1.000 Euro, der die aufwändige Berechnung der Durchschnittsmiete ersetzen soll, erfasst werden. Das sind neben der Grundmiete die monatlich aufzuwenden Beträge für Wasser, Kanalisation, Straßenreinigung, Müllabfuhr, Hausreinigung, Hausbeleuchtung, Schornsteinreinigung, Hauswart, öffentliche Lasten und Kabelanschluss. Nicht zu Bruttokaltmiete gerechnet werden Umlagen für Zentralheizung, Warmwasserversorgung, Untermieterzuschläge und Zuschläge für Möblierung wie bereits das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern in der oben bereits zitierten Entscheidung unter Verweis auf das Statistische Bundesamt festgestellt hat.
Dass für den zum Maßstab erhobenen Durchschnittshaushalt regelmäßig auch Stellplatzkosten anfielen und deshalb in die vorstehende Berechnung der gesetzlichen Betragsobergrenze von 1.000 Euro einbezogen worden wären, hat weder das Finanzamt vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich. Zutreffend ist zwar, dass der Gesetzesbegründung beiläufig ausgeführt wird, dass von den Unterkunftskosten unter anderem auch die Miet- oder Pachtgebühren für Pkw-Stellplätze erfasst seien. Allerdings bleibt eine weitergehende Einordnung dieser Annahme bzw. eine nachvollziehbare Auseinandersetzung mit der aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs übernommenen Berechnungsgrundlage aus. Weiterhin stellt das erstinstanzliche Finanzgericht ganz deutlich klar, dass die Gesetzesmaterialien ohnehin nicht dazu verleiten dürfen, die subjektiven Vorstellungen der gesetzgebenden Instanzen mit dem objektiven Gesetzesinhalt gleichzusetzen. Die Materialien können bei der Gesetzesauslegung nur unterstützend und insgesamt nur insofern herangezogen werden, als sie auf einen objektiven Gesetzesinhalt schließen lassen. Dies erfordert, dass der subjektive Wille des Gesetzgebers bzw. der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten auch im Gesetzestext Niederschlag gefunden hat. So bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 30.9.2020 unter dem Aktenzeichen VI R 34/18. Hieran fehlt es nach Meinung der vorliegend erkennenden erstinstanzlichen Richter aus Niedersachsen. Eine beispielhafte oder gar abschließende Aufzählung der von der Abgeltungswirkung erfassten Unterkunftskosten enthält das Gesetz nicht, ebenso wenig eine über den Bereich der berücksichtigungsfähigen Unterkunftskosten hinausgehende Begrenzung der gesamten Kosten der Zweitwohnung auf höchstens 1.000 Euro.
Vorliegend kommt daher das erstinstanzliche Gericht zu dem Schluss, dass entsprechende Stellplatzkosten als sonstige Mehraufwendungen der doppelten Haushaltsführung unbegrenzt abgezogen werden können und nicht in den monatlichen Höchstbetrag von 1.000 Euro für Unterkunftskosten eingerechnet werden müssen.
Hinweis: Wie zu erwarten, war das Finanzamt mit dieser Auffassung nicht zufrieden und hat die Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt. Unter dem Aktenzeichen VI R 4/23 müssen daher die obersten Richter der Republik entscheiden, wie Stellplatzkosten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung tatsächlich zu behandeln sind. Im Hinblick auf die eigentlich in der erstinstanzlichen Rechtsprechung und auch in der Fachliteratur einhellig vertretenen Meinung sollten Betroffene den eigenen Fall offenhalten, um von einer positiven höchstrichterlichen Rechtsprechung schließlich profitieren zu können.