23.08.2023
Was ist eine Straße? BGH-Urteil zu »rechts vor links« auf öffentlichen Parkplätzen
Auf öffentlichen Parkplätzen kommt es öfters zu Verkehrsunfällen. So auch auf dem Parkplatz eines Lübecker Baumarktes. In drei Instanzen der Zivilgerichtsbarkeit wurde über die Schuldfrage gestritten. Vor allem ging es um die Frage, ob die Regel „rechts-vor-links (rvl)“ auf solchen Parkplätzen gilt.
Der Bundesgerichtshof hat hier klare Vorgaben gemacht: Die rvl-Regel gilt für Fahrspuren auf Parkplätzen, die „Straßen-Charakter“ haben. Wichtig ist aber vor allem: Generell gilt auf öffentlichen Parkplätzen – wie auch sonst im Straßenverkehr – das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme.
Der Bundesgerichtshof macht in seinem „Parkplatz-Urteil“ klare Ansagen:
Die rvl-Regel gilt im Grundsatz für Straßen.
Ein Parkplatz ist keine Straße, sondern eine „Verkehrsfläche“.
Deshalb gilt auf Parkplätzen in der Regel auch nicht die rvl-Regel.
Vom dritten Prinzip gibt es allerdings Ausnahmen, nämlich dann, „wenn sich durch die bauliche Gestaltung der Fahrspuren und die sonstigen örtlichen Gegebenheiten für den Verkehrsteilnehmer unmissverständlich ergibt, dass die Fahrbahnen nicht der Aufteilung und unmittelbaren Erschließung der Parkflächen, sondern in erster Linie der Zu- und Abfahrt und damit dem fließenden Verkehr dienen“. Die meisten öffentlichen Parkplätze sind so konstruiert, dass es eine straßenähnliche Zu- und Abfahrt gibt. Hier gilt die rvl-Regel, nicht jedoch auf den Fahrgassen eines Parkplatzes.
Für den zu entscheidenden Rechtsstreit bedeutete dies, dass die rvl-Regel hier keinerlei Rolle spielte. Der Kläger scheiterte damit mit seiner Forderung auf vollständigen Ersatz seines Schadens und musste sich mit einer Haftungsquote von 70:30 zu seinen Gunsten begnügen, die die Vorinstanzen festgesetzt hatten. Diese Schuldverteilung begründete das Gericht damit, dass der Unfallgegner nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme deutlich zu schnell gefahren sei.
Dem BGH war es allerdings erkennbar etwas unwohl dabei, dass die rvl-Regelung auf Parkplätzen überhaupt – wenn auch nur auf der Zu- und Abfahrt – eine Rolle spielt. Das oberste Zivilgericht befand: „Der Sicherheit ist es in der typischen, durch Ablenkungen von der Beachtung des Verkehrsflusses geprägten Situation auf einem Parkplatz dienlicher, wenn die sich begegnenden Fahrzeuglenker aufeinander Rücksicht nehmen und sich über die Vorfahrt verständigen müssen“.
BGH, Urteil vom 22.11.2022, Az. VI ZR 344/21