14.08.2023
Einkommensteuern: Können bei das Existenzminimum übersteigender Steuerschuld zu erlassen sein
Die Erhebung von Einkommensteuern kann laut Finanzgericht (FG) Köln sachlich grob unbillig sein, wenn die Steuer bei Einbezug tatsächlich abgeflossener, aber aufgrund von Ausgleichsbeschränkungen steuerlich nicht zu berücksichtigender Aktienverluste das jährlich steuerfrei zu belassende Existenzminimum übersteigt.
Die Klägerin erlitt Verluste aus Stillhaltergeschäften. Wegen der Verlustausgleichsbeschränkung nach § 22 Nr. 3 Satz 3 und 4 Einkommensteuergesetz in der Fassung des Streitjahrs erfolgte in Höhe von rund 390.000 Euro keine Verrechnung mit den positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten. Dies führte zu einem entsprechend höheren Gesamtbetrag der Einkünfte. Unter Berücksichtigung des für 2002 geltenden Grundfreibetrags von 7.235 Euro begehrte die Klägerin eine Minderung ihrer Gesamtsteuerbelastung.
Die Klage hatte Erfolg. Das FG folgte der Argumentation der Klägerin.
Nach dem subjektiven Nettoprinzip müsse der Staat einem Steuerpflichtigen von seinem Erworbenen so viel steuerfrei belassen, wie zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts erforderlich sei (Existenzminimum). Der existenznotwendige Bedarf bilde von Verfassungswegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer.
Hinsichtlich der Freistellung des Existenzminimums sei keine Gesamtbetrachtung über mehrere Jahre vorzunehmen. Der für den Lebensunterhalt tatsächlich und unabweisbar benötigte Geldbetrag sei vielmehr in jedem Veranlagungsjahr von der Besteuerung auszunehmen, so das FG.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Das Finanzamt hat gegen das Urteil Revision eingelegt, die unter dem Aktenzeichen IX R 18/23 beim Bundesfinanzhof geführt wird.
Finanzgericht Köln, Urteil vom 26.04.2023, 5 K 1403/21, nicht rechtskräftig