01.08.2023
Kartell-Geldbußen eines Unternehmens: Vorstand und Geschäftsführer haften nicht persönlich
Vorstand und Geschäftsführer haften nicht persönlich für Geldbußen eines Unternehmens. Denn ein solcher Rückgriff gefährde den Sanktionszweck eines Unternehmensbußgeldes, so das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf.
Der Beklagte war Geschäftsführer der klagenden GmbH und Vorstandsvorsitzender der klagenden AG, zweier miteinander verbundener Edelstahlunternehmen. In diesen Funktionen hatte er von Juli 2002 bis Ende 2015 – insbesondere seit 2012 auch als Vorstandsvorsitzender eines maßgeblichen Branchenverbandes – regelmäßig am Austausch wettbewerblich sensibler Informationen teilgenommen.
Wegen dieses Kartells verhängte das Bundeskartellamt gegen zehn Edelstahlunternehmen, zwei Branchenverbände und 17 verantwortliche Personen Geldbußen von insgesamt rund 355 Millionen Euro. Gegen die GmbH hatte es ein Bußgeld von 4,1 Millionen Euro und gegen den Beklagten persönlich ein weiteres Bußgeld festgesetzt. Gegen die AG wurde im Hinblick auf das Bußgeld gegen die GmbH kein Bußgeld festgesetzt.
Die klagende GmbH fordert vom Beklagten Schadenersatz in Höhe des gegen das Unternehmen festgesetzten Bußgeldes. Die klagende AG verlangt Erstattung der Aufklärungs- und Rechtsanwaltskosten in Höhe von mehr als einer Million Euro. Darüber hinaus begehren beide Klägerinnen die Feststellung, dass der Beklagte für alle aus dem Kartell resultierenden Zukunftsschäden hafte.
Mit Urteil vom 10.12.2021 hatte das Landgericht (LG) Düsseldorf (37 O 66/20 (Kart)) die Klage hinsichtlich des Unternehmens-Bußgeldes sowie der geltend gemachten Aufklärungs- und Rechtsanwaltskosten abgewiesen. Im Übrigen hatte es festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet sei, den Klägerinnen Schadenersatz für alle weiteren Zukunftsschäden zu leisten, die aus dem Wettbewerbsverstoß resultierten.
Das OLG hat das landgerichtliche Urteil bestätigt. Das LG habe zutreffend entschieden, dass hinsichtlich des gegen die GmbH festgesetzten Bußgeldes kein Regress gegen den Beklagten in Betracht komme. Eine persönliche Haftung des Geschäftsführers und des Vorstandes für Kartellbußen eines Unternehmens scheide aus. Andernfalls werde die kartellrechtliche Wertung unterlaufen, wonach – wie vorliegend – getrennte Bußgelder gegen die handelnde Person und das Unternehmen selbst festgesetzt werden. Die kartellrechtlichen Vorschriften sähen jeweils getrennte Bußgeldnormen für die handelnden Personen und das beteiligte Unternehmen, auch der Höhe nach, vor.
Durch den Rückgriff auf den Geschäftsführer bestehe darüber hinaus die Gefahr, dass der Sanktionszweck eines Unternehmensbußgeldes gefährdet werde. So könnten Unternehmen sich durch den Rückgriff auf Geschäftsführer und Vorstände faktisch ihrer kartellrechtlichen Bußgeldverantwortung entziehen. Dies gelte erst recht, wenn Vorstand und Geschäftsführer über eine so genannte D&O-Versicherung haftpflichtversichert seien und die Deckungssumme weit höher sei als das gegen das Unternehmen verhängte Bußgeld.
Da die Aufklärungs- und Verteidigerkosten in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Bußgeldverfahren gegen das Unternehmen vor dem Bundeskartellamt stünden, könnten diese ebenfalls nicht erstattet verlangt werden.
Es bleibe mithin eine Haftung des Geschäftsführers und Vorstandes für zivilrechtliche Ansprüche Dritter, die aufgrund des Kartells geschädigt worden seien, so das OLG.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Das OLG hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, da bislang keine höchstrichterliche Entscheidung zu der in der Literatur und Rechtsprechung umstrittenen Frage der persönlichen Haftung von Vorstand und Geschäftsführern für Geldbußen eines Unternehmens ergangen sei.
Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 27.07.2023, VI-6 U 1/22 (Kart), nicht rechtskräftig