27.07.2023
Wachstumschancengesetz: Bundesrechtsanwaltskammer kritisiert Referentenentwurf scharf
Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) übt in einer Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums (BMF) zum Wachstumschancengesetz scharfe Kritik. Der Titel des Gesetzes halte sein Versprechen nicht. Was nach Begünstigungen für Steuerpflichtige klinge, entpuppe sich auf den zweiten Blick als Pflichtenkatalog für Berater sowie Steuerpflichtige.
Die geplante Erweiterung von Meldepflichten auf innerstaatliche Steuergestaltungen nach §§ 138l ff. AO-E lehnt die BRAK kategorisch ab. In der geplanten Ausdehnung sieht sie eine nicht verhältnismäßige, nicht hinreichend evaluierte und rechtsstaatsgefährdende Verletzung des Verschwiegenheitsprivilegs rechts- und steuerberatender Berufe, die in keinerlei akzeptablem Kosten-Nutzen-Verhältnis steht. Es gehöre zu den Aufgaben von Rechtsanwälten, für ihre Mandanten die jeweils aktuelle Rechtslage zu prüfen und dann das umzusetzen, was aufgrund dieser Rechtslage legal möglich ist. Dies schließe auch eine Steueroptimierung ein. Anderenfalls liefen Anwälte Gefahr, sich einer Haftung auszusetzen. Sie müssten durch die Einführung der Meldepflicht also das melden, was ihr ureigener Tätigkeitsbereich ist und würden auch damit gegen ihre gesetzliche Verschwiegenheitsverpflichtung verstoßen.
"Es geht hier um nicht weniger, als einen gesetzlichen Straftatbestand (§ 203 StGB) für die Interessen der Finanzverwaltung außer Kraft zu setzen", sagte Ulrike Paul, zuständige Vizepräsidentin der BRAK. Aus rein fiskalischen Interessen solle die Anwaltschaft zum "Volksverpetzer" gemacht werden. Der Vertrauensschaden für Rechtsuchende – nicht nur gegenüber ihrem Anwalt, sondern auch gegenüber dem Rechtsstaat – wäre unumkehrbar und unwiderruflich.
Besonders prekär sei, so die BRAK, dass außerhalb der EU ansässige Berater von der Regelung nicht erfasst wären. "Wachstumschancen ergeben sich hieraus in gewisser Weise schon", so Vizepräsidentin Paul – "allerdings ausschließlich im Sinne von Zuwachs im Beratungsmarkt außerhalb der EU. Für uns dagegen besteht nicht nur das Problem der Meldepflicht an sich, sondern auch Ungewissheit darüber, wann überhaupt was zu melden ist". Der Entwurf sei an Unschärfe kaum zu überbieten.
Ebenso scharf kritisiert die BRAK die vorgesehenen Regelungen zur elektronischen Rechnung, die auch die Anwaltschaft betreffen. Zwingender Bestandteil einer Rechnung seien unter anderem die Angabe des Leistungsempfängers, also des Mandanten – sowie Angaben zur Leistung selbst. Beide Angaben unterfielen der gesetzlichen, strafbewehrten Verschwiegenheitsverpflichtung der Rechtsanwälte. Soweit mit den beabsichtigten Regelungen ein unmittelbarer Zugriff der Finanzbehörden auf die Rechnungen ermöglicht werden soll, ist nach Auffassung der BRAK zwingend sicherzustellen, dass Rechtsanwälte durch die Erfüllung der Übermittlungspflicht nicht gegen ihre berufsrechtliche Verschwiegenheitspflicht verstoßen.
Bundesrechtsanwaltskammer, PM vom 26.07.2023