25.07.2023
Testamentsbedingung zulasten des Lebensgefährten der Erbin: Wegen Sittenwidrigkeit nichtig
Eine testamentarische Bedingung, die ein Hausverbot für den Lebensgefährten der Erbin vorsieht, ist als sittenwidrig und damit nichtig anzusehen. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in einem Fall entschieden, in dem die Erblasserin verfügt hatte, dass der langjährige Lebensgefährte ihrer Tochter und Erbin die bisherige Familienwohnung nicht mehr betreten dürfe.
Die Klägerin erbte als einzige Tochter ihrer verstorbenen Mutter ein Grundstück mit einem Einfamilienhaus, das sich seit Jahrzehnten im Eigentum der Familie befand und in dem die Mutter in einer und die Tochter mit der Enkelin (bis zu deren Auszug 2016) in einer weiteren Wohnung lebten. Die Enkelin wurde als Miterbin eingesetzt. Der langjährige Lebensgefährte der Tochter hatte eine eigene Wohnung in der Nachbarschaft, ging aber in dem Haus ein und aus, war der Ziehvater der Enkelin und nahm im Haus auch Reparaturen vor. Es gab zu keiner Zeit Streit oder ein Zerwürfnis und man lebte wie eine Familie zusammen.
In dem notariellen Testament, in dem die Tochter und die Enkelin als Erbinnen eingesetzt wurden, waren hierfür allerdings zwei Bedingungen formuliert. Zum einen war es den Erbinnen untersagt, das Grundstück an den Lebensgefährten der Tochter zu übertragen. Zum anderen sollten die Erbinnen dem Lebensgefährten auf Dauer untersagen, das Grundstück zu betreten. Zur Überwachung des Betretungsverbots wurde der Beklagte als Testamentsvollstrecker eingesetzt. Er sollte die Immobilie bei einem Verstoß gegen die Bedingung veräußern, wobei der Erlös zu einem Viertel der Tochter, zu einem Viertel der Enkelin und im Übrigen gemeinnützigen Zwecken zukommen sollte.
Die beiden Erbinnen verlangten vor dem Landgericht (LG) Bochum die Feststellung, dass die Bedingung des Betretungsverbots nichtig sei, weil sie dieses für sittenwidrig hielten. Das Verbot, das Grundstück an den Lebensgefährten zu übertragen, akzeptierten sie. Das LG gab der Klage statt und erklärte das Betretungsverbot wegen Sittenwidrigkeit für ungültig. Hiergegen wandte sich der Beklagte mit seiner Berufung an das OLG Hamm. Dieses hat die Rechtslage mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung erörtert, was letztlich zur Rücknahme der Berufung durch den Beklagten führte.
Bei der Frage, ob eine testamentarische Bedingung wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist, sei zu beachten, dass die vom Grundgesetz geschützte Testierfreiheit es einer Erblasserin grundsätzlich ermöglicht, die Erbfolge nach ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten und sie dabei einen sehr großen Gestaltungsspielraum hat, unterstreicht das OLG. Sittenwidrigkeit könne daher nur in sehr engen Ausnahmefällen angenommen werden. Dies gelte auch für Bedingungen.
Ein schwerwiegender Ausnahmefall, der zur Sittenwidrigkeit einer Bedingung führen kann, sei immer nur dann anzunehmen, wenn in der Abwägung zwischen der Testierfreiheit der Erblasserin und den Freiheitsrechten der Betroffenen anzunehmen ist, dass die nur bedingte Zuwendung einen unzumutbaren Druck auf die Bedachten ausübt, sich in einem höchstpersönlichen Bereich in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten. Bedingungen, die dagegen lediglich die Nutzung des vererbten Vermögensgegenstandes betreffen, seien dagegen regelmäßig zulässig.
Hier weise zwar die angefochtene Bedingung einen Bezug zur Nutzung des vererbten Hausgrundstücks auf. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles stehe hier jedoch im Vordergrund, dass dem langjährigen Lebensgefährten der Tochter, zugleich Ziehvater der Enkelin, der Zugang zu der schon vor dem Erbfall genutzten Wohnung auf einmal verwehrt sein soll, so das OLG. Das bis zum Tod der Erblasserin unstreitig praktizierte familiäre Zusammenleben könnte aufgrund der Bedingung nicht mehr in dieser Form fortgeführt werden. Damit sei aber der höchstpersönliche Bereich der Lebensführung der Tochter betroffen und die Bedingung sittenwidrig und nichtig. Für die Rechtsfolge sei weiter davon auszugehen, dass die Erblasserin ihre Tochter und ihre Enkelin auch ohne die unwirksame Bedingung zu Erbinnen eingesetzt hätte, sodass die Sittenwidrigkeit nur dazu führt, dass die Bedingung entfällt.
Da das OLG damit die rechtliche Einschätzung der Vorinstanz zur Sittenwidrigkeit teilte, nahm der Beklagte seine Berufung zurück, sodass das Urteil des LG Bochum rechtskräftig wurde.
Oberlandesgericht Hamm, 10 U 58/21 sowie Landgericht Bochum, Urteil vom 29.04.2021, 8 O 486/20, rechtskräftig