25.07.2023
Haftbefehle: Wegen zu später Terminierung des Verfahrens aufgehoben
Wegen zu später Terminierung eines Strafverfahrens, in dem der Vorwurf der Rauschgiftkriminalität im Raum steht, hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main bereits außer Vollzug gesetzte Haftbefehle gegen fünf Angeschuldigte aufgehoben. Es hebt hervor, dass die Verzögerung das Beschleunigungsgebot verletzt habe.
Den fünf Angeschuldigten wird die unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Last gelegt. Sie sollen 110 Kilogramm Kokainzubereitung aus Brasilien über den Frankfurter Flughafen am 16.11.2022 eingeschmuggelt haben. Die Angeschuldigten befanden sich aufgrund von Haftbefehlen des Amtsgerichts (AG) Frankfurt am Main seit dem 17. beziehungsweise 19.11.2022 in Untersuchungshaft.
Die Staatsanwaltschaft erhob am 14.04.2023 Anklage zum Landgericht (LG) Frankfurt am Main – Große Strafkammer. Der Vorsitzende der großen Strafkammer zeigte dem Präsidium des LG Ende Mai 2023 Überlastung an und ersuchte das Präsidium, die Überlastung festzustellen und das vorliegende Verfahren auf eine andere Strafkammer zu übertragen. Das Präsidium des LG stellte in seiner Sitzung vom 31.05.2023 jedoch keine Überlastung fest.
Mit Beschlüssen vom 30.06.2023 setzte die Große Strafkammer sodann die Haftbefehle des AG gegen Auflagen außer Vollzug. Zur Begründung führte sie aus, dass die Durchführung der Hauptverhandlung vor Januar 2024 nicht in Betracht komme. Vor diesem Hintergrund gebiete der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Außervollzugsetzung. Die Angeklagten waren auf der Grundlage dieser Entscheidung bereits aus der Haft entlassen worden. Hiergegen richtete sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft.
Das OLG hat auf Beschwerde die Haftbefehle aufgehoben. Es liege zwar ein dringender Tatverdacht vor. Der von der Strafkammer avisierte Beginn der Hauptverhandlung frühestens im Januar 2024 verletze jedoch das Beschleunigungsgebot. Statt der üblicherweise anzusetzenden drei Monate zwischen Eröffnungsreife und Hauptverhandlung stünden hier rund sechs Monate im Raum. Es bestehe keine Möglichkeit, auf die Terminierung der Kammer oder die dem Präsidium obliegende Gerichtsorganisation des LG Einfluss zu nehmen.
"Justizinterne Unstimmigkeiten zwischen dem Präsidium des Gerichts und der Kammer bezüglich deren Belastungssituation dürfen nicht zulasten der Angeschuldigten gehen", führte das OLG aus. Diese hätten die absehbare Verzögerung keinesfalls zu vertreten.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 19.07.2023, 1 Ws 225-229/23, unanfechtbar