21.07.2023
Rechtskräftig verurteilter Mörder: Ist erbunwürdig
Ein rechtskräftig verurteilter Mörder ist erbunwürdig. Dies hält das Oberlandesgericht (OLG) Hamm fest.
Der Beklagte war wegen heimtückischen Mordes an seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau vom Landgericht (LG) Bielefeld zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das Urteil ist seit Februar 2018 rechtskräftig. Die Revision des Beklagten hat der Bundesgerichtshof als unbegründet verworfen. Zwei Wiederaufnahmeanträge des Beklagten blieben über beide Instanzen erfolglos.
Nach dem rechtskräftigen Strafurteil hat der Beklagte sich am Morgen des 15.09.2016 vor dem Haus seiner Ehefrau versteckt. Er war mit einer Sturmhaube maskiert und führte eine Schrotflinte bei sich. Als die Ehefrau das Grundstück in ihrem Fahrzeug verließ, trat er aus seinem Versteck hervor und gab einen Schuss auf den Wagen ab. Hierdurch verlor die Ehefrau die Kontrolle über das Fahrzeug. Als dieses zum Stillstand kam, trat der Beklagte an die Fahrertür heran. Mit zwei weiteren Schüssen zerstörte er die Scheibe und tötete seine Ehefrau.
Das LG hat sich in einer Gesamtwürdigung aller Indizien von der Täterschaft des Beklagten überzeugt, der ein nachvollziehbares Tatmotiv hatte und mit den Örtlichkeiten und Gewohnheiten seiner Ehefrau vertraut war, um eine günstige Tatgelegenheit abzupassen. Er hatte als Jäger Zugang zu Waffen und war mit deren Umgang vertraut. Als wichtigste Indizien hat das LG die DNA-Spuren des Beklagten an den am Tatort gefundenen zwei Patronenhülsen, der Sturmhaube und einem Langwaffen-Futteral angesehen.
Kraft gesetzlicher Erbfolge erbte der Beklagte neben den beiden mit der Getöteten gemeinsamen Kindern. Nach Abschluss des Strafverfahrens erhoben die Kinder eine Anfechtungsklage, mit der sie sich gegen die Erbberechtigung ihres Vaters wandten. Gestützt auf die strafgerichtlichen Feststellungen gab das LG Bielefeld dieser Klage wegen Erbunwürdigkeit statt. Die hiergegen vom Beklagten eingelegte Berufung zum OLG Hamm blieb ohne Erfolg.
Erbunwürdig sei unter anderem, wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich tötet. Das Ausscheiden als Erbe wegen Erbunwürdigkeit trete jedoch nicht automatisch ein. Vielmehr müsse dies auf eine Anfechtungsklage desjenigen, der von der veränderten Erbfolge profitiert, in einem zivilgerichtlichen Verfahren festgestellt werden. Das Zivilgericht sei dabei an rechtskräftige Feststellungen eines Strafurteils nicht gebunden, sondern müsse sich in freier Würdigung der Beweise selbst von der widerrechtlichen Tötung überzeugen, so das OLG.
Das rechtskräftige Strafurteil könne allerdings als Beweisurkunde verwendet werden. Seine Feststellungen hätten besonderes Gewicht bei der Beweiswürdigung. In der Regel werde den strafgerichtlichen Feststellungen zu folgen sein, sofern nicht gewichtige Gründe für deren Unrichtigkeit sprechen. Wer sich, wie hier der Beklagte, auf einen vom Strafurteil abweichenden Sachverhalt beruft, müsse gewichtige Gründe darlegen, die gegen dessen Richtigkeit sprechen.
Die vom Beklagten vorgebrachten Umstände waren zur Überzeugung des OLG Hamm unerheblich, sodass keine weitere Beweisaufnahme erforderlich war. Soweit er mit näheren Ausführungen erstmals im zivilrechtlichen Berufungsverfahren den Lebensgefährten seiner getöteten Ehefrau als vermeintlichen Täter ins Spiel brachte, habe er nicht darlegen können, warum er dies nicht bereits viel früher, spätestens in der ersten Instanz des Zivilverfahrens vorgebracht hatte. Seine Behauptung, dass ein Dritter – insbesondere jener Lebensgefährte – die Patronenhülsen, Sturmhaube und das Langwaffen-Futteral gezielt am Tatort platziert habe, um ihn zu belasten, sei rein spekulativ. Bereits das LG habe das absichtliche Legen falscher Spuren durch eine dritte Person mit näherer Begründung ausgeschlossen. Hiergegen spreche neben den Schwierigkeiten der Beschaffung des Spurenmaterials vor allem auch der zeitliche Ablauf nach der Tat, da die Mutter der Getöteten unmittelbar nach den Schüssen zum Tatort eilte. Seine nunmehr vorgebrachten Einwände gegen die Bewertung der DNA-Spuren würden die strafgerichtliche Würdigung dieser Spuren nicht infrage stellen.
Der Beklagte hat gegen das Urteil des OLG Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, über die noch nicht entschieden ist.
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 27.10.2022, 10 U 28/19, nicht rechtskräftig