19.07.2023
Vertretungsweise Übernahme ärztlichen Notdienstes und Entnahme von Blutproben für Polizeibehörden: Entgelte sind umsatzsteuerpflichtig
Die von einem Arzt vereinnahmten Entgelte für die vertretungsweise Übernahme eines ärztlichen Notfalldienstes und die Entnahme von Blutproben für die Polizeibehörden sind keine nach § 4 Nr. 14 Buchst. a) Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) umsatzsteuerfreien Heilbehandlungsleistungen. Dies stellt das Finanzgericht (FG) Münster klar.
Der Kläger war selbstständiger Allgemeinmediziner ohne eigenen Praxisbetrieb. In den Streitjahren 2012 bis 2016 nahm er auf Grundlage einer mit der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) geschlossenen Vereinbarung als Vertreter für andere Ärzte am hausärztlichen ambulanten Notfalldienst teil. Er übernahm für die vertretenen Ärzte alle mit dem ärztlichen Notdienst zusammenhängenden Verpflichtungen einschließlich der Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des übernommenen Notfalldienstes. Die im Rahmen des Notdienstes erbrachten ärztlichen Leistungen rechnete er entweder im Wege der Privatliquidation oder über die KVWL auf der Grundlage der geschlossenen Vereinbarung ab. Vom jeweils vertretenen Arzt erhielt er für die Notdienstvertretung einen Stundenlohn zwischen 20 Euro und 40 Euro.
Daneben führte der Kläger in den Streitjahren für die Polizeibehörde Blutentnahmen durch. Hierbei fertigte er jeweils gemäß einem Muster einen einseitigen ärztlichen Bericht. Die Blutentnahmen rechnete er gegenüber der Landeskasse ab. Die Höhe der Vergütung hing dabei unter anderem davon ab, zu welchem Zeitpunkt und wie viele Blutentnahmen durchgeführt wurden.
Der Kläger unterwarf sämtliche Zahlungen nicht der Umsatzsteuer. Das Finanzamt ging dagegen von der Umsatzsteuerpflicht aus und erließ entsprechende Steuerbescheide. Hiergegen wandte sich der Kläger. Er meint, dass es sich jeweils um steuerfreie Heilbehandlungsleistungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. a) Satz 1 UStG handele.
Das FG Münster hat die Klage abgewiesen. Die Vertretung im ärztlichen Notdienst und die Entnahme von Blutproben für die Polizeibehörden seien keine steuerfreien Heilbehandlungsleistungen.
Die vom Kläger gegenüber den vertretenen Ärzten erbrachten sonstigen Leistungen seien darauf gerichtet, die Ärzte von sämtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem übernommenen Dienst einschließlich der Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des Notfalldienstes freizustellen. Nur hierfür leisteten die vertretenen Ärzte das Entgelt an den Kläger und nicht für die vom Kläger im ärztlichen Notdienst ausgeübten Tätigkeiten oder zur Weiterleitung einer selbst bereits erhaltenen Vergütung.
Diese Vertretungsleistungen seien nicht nach § 4 Nr. 14 Buchst. a) Satz 1 UStG steuerfrei. Eine einheitliche Leistung aus der Vertretungsleistung und den im Notdienst ausgeführten, steuerfreien Heilbehandlungsleistungen könne nicht angenommen werden. Die Vertretungsleistung selbst stelle keine steuerfreie Heilbehandlungsleistung dar. Sie diene keinem therapeutischen Zweck, weil die Vertretung eines anderen, bereits zum ärztlichen Notfalldienst zugeteilten Arztes den Schutz, die Aufrechterhaltung oder die Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit nicht weiter fördere.
Soweit der Kläger demgegenüber darauf hinweise, dass der ärztliche Notdienst selbst einem therapeutischen Zweck diene und er im Notdienst steuerfreie Heilbehandlungsleistungen erbracht habe, folge hieraus nichts anderes. Zum einen gehe es im Streitfall um eine Vertretungsleistung. Zum anderen würden mit dem ärztlichen Notdienst nur die Voraussetzungen geschaffen und die (Personal-)Ressourcen vorgehalten, die für die nachfolgende zeitnahe Erbringung von Heilbehandlungsleistungen erforderlich seien. Dass eine solche zeitnahe Versorgung nur aufgrund des ärztlichen Notdienstes möglich sei, könne allein die Steuerfreiheit nicht begründen. Insbesondere erfasse die Steuerfreiheit – anders als andere Steuerbefreiungen – eng mit der Erbringung von Heilbehandlungsleistungen verbundene Leistungen nicht.
Auch die Entnahme von Blutproben für die Polizeibehörde sei keine steuerfreie Heilbehandlungsleistung. Leistungen, die vornehmlich anderen Zwecken als dem Schutz, der Aufrechterhaltung oder der Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit dienten, seien nicht steuerfrei. So liege es aber bei den Blutentnahmen, die auf polizeiliche Anordnung im Zusammenhang mit einem strafrechtlich oder öffentlich-rechtlich geführten Verfahren erfolgt seien. Im Vordergrund stehe die Beweiserhebung und die Erstattung eines Gutachtens, nicht aber der Schutz der menschlichen Gesundheit. Das Entgelt habe sich deshalb insbesondere nach dem Ort, der Uhrzeit und der Anzahl der Blutentnahmen bei einer einzelnen Person gerichtet.
Das FG hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.
Finanzgericht Münster, Urteil vom 09.05.2023, 15 K 1953/20 U, nicht rechtskräftig