19.07.2023
Fortentwicklung des Völkerstrafrechts: Bundesjustizministerium legt Referentenentwurf vor
Das Bundesjustizministerium (BMJ) hat am 17.07.2023 einen Referentenentwurf zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts veröffentlicht. Die Vorschläge zielen darauf, Strafbarkeitslücken zu schließen, Opferrechte zu stärken und die Breitenwirkung völkerstrafrechtlicher Prozesse und Urteile zu verbessern.
§ 7 Völkerstrafgesetzbuch (VStGB – Verbrechen gegen die Menschlichkeit) und § 8 VStGB (Kriegsverbrechen gegen Personen) sollen so angepasst werden, dass sie auch den Tatbestand der sexuellen Sklaverei, des sexuellen Übergriffs sowie den erzwungenen Schwangerschaftsabbruch umfassen. Damit soll laut BMJ dem erheblichen Unrechtsgehalt der damit bezeichneten Handlung und der zunehmenden Bedeutung dieser Tatbestände in der Rechtsprechung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) Rechnung getragen werden.
Neu aufgenommen werden sollen in das VStGB außerdem die Tatbestände der Verwendung von Waffen, deren Splitter mit Röntgenstrahlen nicht erkennbar sind, sowie der Verwendung dauerhaft blindmachender Laserwaffen. Diese Tatbestände seien jüngst in das Statut des IStGH aufgenommen, so das BMJ. Durch Übernahme in das nationale Recht solle zur Bildung entsprechenden Völkergewohnheitsrechts beigetragen werden. Schließlich solle im Tatbestand des Verschwindenlassens als Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB) das Nachfrageerfordernis gestrichen werden.
Gestärkt werden sollen die Recht von Menschen, die Opfer von Straftaten nach den §§ 6 bis 8 VStGB und §§ 10 bis 12 VStGB geworden und in ihren Rechten auf körperliche Unversehrtheit, Freiheit, religiöse, sexuelle oder reproduktive Selbstbestimmung oder ungestörte körperliche und seelische Entwicklung in der Kindheit verletzt worden sind. Opfern dieser Straftaten und den Angehörigen der durch diese Straftaten Getöteten solle die Nebenklagebefugnis eingeräumt werden.
Parallel dazu sollen die Regeln über die anwaltliche Vertretung von Nebenklägern angepasst werden. Wenn Opfer von VStGB-Straftaten als Nebenkläger zugelassen wurden, sollen sie künftig berechtigt sein, ohne weitere Voraussetzungen einen Opferanwalt beigeordnet zu bekommen. Insbesondere solle es dafür nicht auf die Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe ankommen.
Auch die Regeln für die Beiordnung einer psychosozialen Prozessbegleitung sollen angepasst werden. Wenn Opfer von Völkerstraftaten als Nebenkläger zugelassen wurden, sollen sie künftig berechtigt sein, auf Antrag ohne weitere Voraussetzung einen psychosozialen Prozessbegleiter beigeordnet zu bekommen.
Ferner sollen die Rezeption und Verbreitung wichtiger deutscher Völkerstrafrechtsprozesse gefördert werden. Hierzu soll laut BMJ in § 185 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) klargestellt werden, dass Medienvertreter in Gerichtsverfahren Verdolmetschungen nutzen können, wenn sie der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Das BMJ will darüber hinaus Übersetzungen wegweisender Urteile zum Völkerstrafrecht in die englische Sprache in Auftrag geben, damit weltweit auch die nicht-deutschsprachige Öffentlichkeit Zugang hierzu bekommt.
Schließlich soll die wissenschaftliche und historische Rezeption völkerstrafrechtlicher Verfahren erleichtert werden. Hierzu solle in § 169 Absatz 2 Satz 1 GVG auch die Möglichkeit von Filmaufnahmen zugelassen werden, sofern es sich um ein völkerstrafrechtliches Verfahren von entsprechender Bedeutung handelt. Zudem solle geregelt werden, dass die – künftig ohnehin für viele strafgerichtliche Hauptverhandlungen obligatorische – Aufzeichnung auch für wissenschaftliche und historische Zwecke verwendet werden kann.
Laut BMJ wurde der Entwurf an Länder und Verbände verschickt. Die interessierten Kreise hätten nun Gelegenheit, bis zum 25.08.2023 Stellung zu nehmen.
Bundesjustizministerium, PM vom17.07.2023