14.07.2023
Stille Beteiligung des Arbeitnehmers am Unternehmen des Arbeitgebers: Zur steuerlichen Einordnung der Gewinnanteile
Ob Gewinnanteile aus der Beteiligung als typisch stiller Gesellschafter einer GmbH als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Absatz 1 Nr. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) oder als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit gemäß § 19 EStG einzustufen sind, ist im Wege einer Gesamtschau unter Einbeziehung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Einräumung der stillen Beteiligung hat, spricht für ein unabhängig vom Arbeitsverhältnis bestehendes Sonderrechtsverhältnis. Dies geht aus einem Urteil des Finanzgerichts (FG) Brandenburg hervor.
Der Kläger war Arbeitnehmer einer GmbH, die "ausgesuchten, besonders wichtigen Mitarbeitern" die Möglichkeit eröffnet hatte, sich als typisch stiller Gesellschafter für die Dauer der Anstellung bei der GmbH zu beteiligen. Am 06.12.2010 schloss der Kläger mit der GmbH einen "Gesellschaftsvertrag einer typischen stillen Beteiligung" und leistete seine Einlage. Das Finanzamt behandelte die Gewinnanteile des Klägers aus seiner stillen Beteiligung als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Der Kläger begehrt, seine Gewinnanteile als Kapitaleinkünfte zu erfassen.
Das FG gab der Klage statt. Die Gewinnanteile aus der stillen Beteiligung an der GmbH seien beim Kläger weder Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit gemäß § 19 EStG noch gewerbliche Einkünfte, sondern Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Absatz 1 Nr. 4 EStG. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehörten Einnahmen aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter und aus partiarischen Darlehen, es sei denn, dass der Gesellschafter oder Darlehensgeber als Mitunternehmer anzusehen sei.
Der Kläger habe die Einnahmen nicht als atypisch stiller Gesellschafter im Rahmen einer Mitunternehmerschaft erzielt. Die Gewinnanteile führten bei ihm daher nicht zu gewerblichen Einkünften gem. § 20 Absatz 8 EStG in Verbindung mit § 15 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Der Kläger habe kein wesentliches Mitunternehmerrisiko getragen. Er sei zwar am Gewinn und Verlust der GmbH beteiligt gewesen. Demgegenüber sei der Kläger weder am Unternehmenswert beteiligt noch habe er im Fall der Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses einen Anspruch auf den Zuwachs der stillen Reserven des Betriebsvermögens einschließlich des Zuwachses an dem Firmenwert gehabt.
Auch die Mitunternehmerinitiative des Klägers sei nur unwesentlich ausgeprägt. Der Kläger hätte lediglich das Recht gehabt, die Jahresabschlüsse der GmbH und Prüfungsberichte des Abschlussprüfers einzusehen. Darüber hinaus gehende Stimm- oder Widerspruchsrechte hätten dem Kläger nicht zugestanden.
Die Gewinnanteile führten beim Kläger auch nicht zu Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit gemäß § 19 EStG. Seine Arbeitnehmerstellung bei der GmbH sei für das daneben bestehende Gesellschaftsverhältnis zwischen ihm und der GmbH – als unabhängiges Sonderrechtsverhältnis – weder prägend noch stehe sie im Vordergrund.
Die ihm zugeflossenen Gewinnanteile seien nicht durch sein Arbeitsverhältnis veranlasst. Sie hätten ihre Ursache vielmehr in der Kapitalbeteiligung des Klägers, die als Sonderrechtsverhältnis unabhängig vom Arbeitsverhältnis des Klägers bestehe. Soweit daneben auch Gesichtspunkte gegeben seien, die für einen Veranlassungszusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis des Klägers bei der GmbH sprächen, träten diese hinter die letztlich ausschlaggebende Kapitalbeteiligung des Klägers am Unternehmen der GmbH zurück und würden von diesem Sonderrechtsverhältnis überlagert, das die Grundlage für die dem Kläger zugeflossenen Gewinnanteile bilde.
Für ein unabhängig vom Arbeitsverhältnis bestehendes Sonderrechtsverhältnis spreche insbesondere, dass der Kläger keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Einräumung der stillen Beteiligung gehabt habe. Die stille Beteiligung sei dem Kläger am 06.12.2010 unabhängig von seinem bereits bestehenden Arbeitsverhältnis eingeräumt worden. Darüber hinaus habe er die Einlage in die GmbH auch aus seinem Vermögen erbracht. Entgegen der Ansicht des Finanzamtes stehe dem nicht entgegen, dass der Kläger seine Einlage durch stehengelassene Gewinnanteile erbringen könne. Hierbei handele es sich um eine übliche Möglichkeit zur Einlageerbringung. Zudem trage der Kläger ein effektives Verlustrisiko. Zum einen bestehe die Möglichkeit des Totalverlusts seiner Kapitaleinlage als solche. Zum anderen trage er das Verlustrisiko hinsichtlich der laufenden Jahresergebnisse. Dass dieses Verlustrisiko auf die Höhe seiner Einlage begrenzt sei, falle dabei nicht ins Gewicht, da er in diesem Fall an künftigen Gewinnen nur dann teilnehme, wenn die Verlustanteile wieder ausgeglichen seien. Schließlich stünden die Gewinnanteile dem Kläger auch dann zu, wenn er das gesamte Geschäftsjahr – zum Beispiel krankheitsbedingt – ausgefallen wäre. Gerade hierdurch zeige sich die Unabhängigkeit von Arbeitsleistung und Kapitalüberlassung sehr deutlich.
Beim Gesellschaftsverhältnis zwischen dem Kläger und der GmbH handele es sich um eine (typisch) stille Beteiligung und nicht um partiarisches Darlehen. Zwar sei für Begriff und Wesen eines partiarischen Darlehensverhältnisses kennzeichnend, dass die Vergütung – wie im Streitfall – nicht oder nicht nur in einem festen periodischen Betrag bestehe, sondern in einem Anteil an dem vom Darlehensempfänger erwirtschafteten Erfolg. Allerdings scheide ein partiarisches Darlehensverhältnis dann aus, wenn der Kapitalgeber – wie im Streitfall der Kläger – auch am Verlust des Kapitalnehmers beteiligt sei.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Gegen die Nichtzulassung der Revision wurde beim Bundesfinanzhof Beschwerde eingelegt (VIII B 134/22).
Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 06.10.2022, 12 K 1692/20, nicht rechtskräftig