13.07.2023
Bondstripping bei im Privatvermögen gehaltenen Bundesanleihen: Aufteilung der Anschaffungskosten bei Veräußerung der Zinsscheine
Im Fall des Bondstrippings von Bundesanleihen, die im Privatvermögen gehalten werden, sind bei Veräußerung der Zinsscheine die Anschaffungskosten der Anleihe (samt Zinsscheinen) auf die Zinsscheine und den Anleihemantel (Stammrecht) aufzuteilen. Dies hat das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg entschieden.
Der Kläger erwarb 2013 eine deutsche Bundesanleihe. Noch am Tag des Kaufs erteilte er der depotführenden Bank den Auftrag, die Zinsscheine vom Anleihemantel zu trennen. Einige Tage später verkaufte er die Zinsscheine und erzielte einen Gewinn. Noch einige Tage später verkaufte er das Stammrecht an die B-GmbH, deren Anteile er zu 50 Prozent hielt. In der Einkommensteuererklärung erklärte er den Erlös aus dem Verkauf der Zinsscheine als inländischen Gewinn aus der Veräußerung von Kapitalanlagen im Sinne von § 20 Absatz 2 Einkommensteuergesetz (EStG). Aus dem Verkauf des Anleihemantels erklärte er einen Veräußerungsverlust. Dabei zog er vom Veräußerungspreis die gesamten Anschaffungskosten der Bundesanleihe ab. Das beklagte Finanzamt teilte die Anschaffungskosten auf den Anleihemantel (Stammrecht) und die Zinsscheine auf. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.
Das FG bestätigte die Auffassung des Finanzamtes. Sowohl die isolierte Veräußerung der Zinsscheine (§ 20 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG) als auch die Veräußerung des Anleihemantels (§ 20 Absatz 2 Satz 1 Nr. 7 EStG) hätten zu Einkünften aus Kapitalvermögen geführt. Da der für Einkünfte aus Kapitalvermögen grundsätzlich geltende Abgeltungsteuersatz von 25 Prozent nicht gelte, wenn Kapitalerträge nach § 20 Absatz 2 Satz 1 Nr. 7 EStG von einer Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner gezahlt würden, der zu mindestens zehn Prozent an der Gesellschaft beteiligt sei, unterliege nur der Gewinn aus der Veräußerung der Zinsscheine dem Abgeltungsteuersatz, nicht aber der Gewinn beziehungsweise Verlust aus der Veräußerung des Anleihemantels an die B-GmbH. Dieser unterliege dem allgemeinen Steuertarif, da der Kläger im Streitjahr 50 Prozent der Anteile der B-GmbH gehalten habe.
Nach § 20 Absatz 4 Satz 1 EStG sei der Veräußerungsgewinn der Unterschied zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung nach Abzug der Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen, und den Anschaffungskosten. Der Begriff der Anschaffungskosten in § 20 Absatz 4 Satz 1 EStG bestimme sich nach dem handelsrechtlichen Anschaffungskostenbegriff des § 255 Absatz 1 Handelsgesetzbuch (HGB).
Für den Fall des Bondstrippings von im Betriebsvermögen gehaltenen Anleihen gehe die vorherrschende Auffassung davon aus, dass die ursprünglichen Anschaffungskosten im Verhältnis der jeweiligen Marktwerte auf das Stammrecht einerseits und die Zinsscheine andererseits aufzuteilen seien. Eine solche Aufteilung habe auch im Fall des Bondstrippings bei im Privatvermögen gehaltenen Anleihen zu erfolgen, so das FG. Denn Anschaffungskosten im Sinne des § 255 Absatz 1 HGB lägen nach dem dieser Norm immanenten Surrogationsgedanken auch dann vor, wenn ein ursprünglich vom Steuerpflichten angeschaffter Vermögensgegenstand durch mehrere andere Vermögensgegenstände ersetzt werde und sich die auf den ursprünglich angeschafften Vermögensgegenstand entfallenden Anschaffungskosten anteilig in mehreren Ersatzvermögensgegenständen fortsetzen würden. Da der Anschaffungskostenbegriff gleichermaßen im Bereich der Gewinneinkünfte wie im Bereich der Überschusseinkünfte gelte, sei auch im Fall des Bondstrippings von im Privatvermögen gehaltenen Anleihen eine Aufteilung der ursprünglichen Anschaffungskosten der ungetrennten Anleihe auf den Anleihemantel und die Zinsscheine vorzunehmen.
Für diese Gleichbehandlung von im Betriebsvermögen einerseits beziehungsweise im Privatvermögen andererseits gehaltenen Bundesanleihen spreche auch der Umstand, dass mit der Einführung der Abgeltungsteuer eine vollständige steuerrechtliche Erfassung aller Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen erreicht werden sollte. Dafür sei die traditionelle quellentheoretische Trennung von Vermögens- und Ertragsebene für Einkünfte aus Kapitalvermögen aufgegeben worden. Die Aufgabe der Trennung von Vermögens- und Ertragsebene im Bereich der Kapitaleinkünfte bewirke eine Angleichung an die Besteuerung im betrieblichen Bereich.
Das Urteil des FG ist nicht rechtskräftig. Die Revision läuft beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen VIII R 17/22.
Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 04.05.2022, 4 K 2907/17, nicht rechtskräftig