03.07.2023
E-Bons: Bei Waagen-Kassen-Systemen unzulässig
Es ist unzulässig, bei Waagen-Kassen-Systemen ein Programm zu installieren, das Kunden die Wahl eines Digitalbons (statt eines ausgedruckten Bons) ermöglicht. Dies hat das Verwaltungsgericht (VG) Osnabrück entschieden und die Klage zweier Betreiber von Lebensmittelmärkten abgewiesen.
In den betreffenden Märkten hatte der Landesbetrieb für Mess- und Eichwesen Niedersachsen (MEN) bei Prüfungen der Waagen-Kassen-Systeme festgestellt, dass ein Programm installiert worden war, das den kundenseitigen Verzicht auf einen ausgedruckten Bon und stattdessen die Wahl eines Digitalbons zuließ. Daraufhin verweigerte der MEN die Eichung der Waagen-Kassen-Systeme, beanstandete diese und forderte die Inhaber der Märkte auf, die Mängel abzustellen. Es müsse zwingend ein physischer Bon ausgegeben werden (so genannter Zwangsbon). Ein Verzicht hierauf durch den Kunden und die Ausgabe eines digitalen Bons anstelle des physischen Bons seien nicht zulässig.
Anlässlich der Eichverweigerungen und der Beanstandungsbescheide klagten die Marktbetreiber. Die Beanstandungen seien rechtswidrig, da die Richtlinie 2014/31/EU keinen physischen Zwangsbon fordere. Die im Anhang I der Richtlinie unter Ziffer 14 Unterabsatz 4 genannten Worte "ausgedruckt auf einem Bon oder Etikett" deuteten nicht zwingend auf einen physischen Bon hin. Drucken könne auch im Sinne einer elektronischen Ausgabe verstanden werden. Gängig sei mittlerweile auch der Begriff des pdf-Drucks beziehungsweise des virtuellen Druckens, was sich auch aus internationalen Normwerken ergebe. Der Verbraucherschutz sei in keiner Weise beeinträchtigt, da die Kunden eine Wahlmöglichkeit zwischen digitalem und physischem Bon hätten. Es würden ohne erkennbaren Mehrwert wöchentlich zehntausende Bons gedruckt, die niemand benötige – weder die Kunden noch die Eichbehörden.
Der MEN meint, dass die Waagen-Kassen-Systeme der Kläger ohne Zwangsbon nicht den Vorgaben der Prüfungsbescheinigung der Physikalisch Technischen Bundesanstalt für die einschlägigen Systeme entsprächen. Zudem erfüllten die Systeme nicht die wesentlichen Anforderungen der Richtlinie 2014/31/EU. Die klägerische Auslegung sprenge den Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen.
Das Gericht ist dem Vortrag des MEN gefolgt. Es hat zum einen ausgeführt, dass der Wortlaut der Richtlinie 2014/31/EU, nach dem die Angaben über Wägevorgänge "auf einem Bon oder Etikett ausgedruckt" werden müssten, eindeutig sei. Ein kumulatives Verständnis von "Ausdrucken" als (auch) digitales Drucken, "Bon" als Oberbegriff auch für einen digitalen Bon und "auf" im Sinne von "in einer Datei" schieden aus. Es seien für das VG zwar in der Sache keine Gründe vorgetragen worden oder ohne Weiteres ersichtlich, weshalb ein digitaler Bon die Erreichung der Ziele des Richtliniengebers gefährden könne. Allerdings könne die Zulässigkeit des Digitalbons angesichts des eindeutigen Wortlautes dann nur im Wege der Rechtsfortbildung erreicht werden. Zu einer entsprechenden Rechtsfortbildung sehe sich das VG hier nicht befugt. Angesichts der Reichweite der Änderung (Vielzahl betroffener Fälle), ihres technischen Charakters und zur Gewährleistung der Normenklarheit müsse der Richtliniengeber tätig werden.
Auch widersprächen die Waagen-Kassen-Systeme – das Urteil selbstständig tragend – der Prüfungsbescheinigung der PTB und damit der Konformitätserklärung des Herstellers, deren Teil die Prüfungsbescheinigung sei. Hier müsse der ursprüngliche Hersteller der Systeme oder gegebenenfalls der Verwender als Hersteller im Sinne des § 2 Nr. 6 Hs. 2 Mess- und Eichgesetz eine Änderung der Prüfungsbescheinigung gegenüber der Physikalisch Technischen Bundesanstalt erwirken.
Die Urteile können mit der Zulassung der Berufung vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht angefochten werden
Verwaltungsgericht Osnabrück, Urteile vom 28.06.2023, 1 A 52/22 und 1 A 68/22, nicht rechtskräftig