29.06.2023
Kirchenmusiker: Keine Kündigung wegen Plänen zu Leihmutterschaft
Ein Kirchenmusiker hat sich erfolgreich gegen seine Kündigung durch die Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig gewandt. Die Landeskirche hatte die Kündigung damit begründet, der Kläger habe sich Pläne offengehalten, für sich und seinen Ehemann Kinder im Wege der Leihmutterschaft in Kolumbien austragen zu lassen. Ob dies rechtens ist, hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen offengelassen. Jedenfalls habe die Kirche in einem Personalgespräch auf die Kündigung verzichtet.
Dem Domkantor war am 22.03.2022 fristlos, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist zum 31.10.2022 gekündigt worden. Die Landeskirche sah in dessen Leihmutterschaftsplänen einen erheblichen Loyalitätsverstoß, der eine weitere Zusammenarbeit auch unter Berücksichtigung der exponierten Position als Domkantor mit bundesweitem Bekanntheitsgrad unzumutbar mache. Zudem hätten die Diskussionen um die privaten Planungen des Klägers zu Zerwürfnissen unter Mitarbeitern geführt, die in weiten Teilen eine weitere Zusammenarbeit ablehnten.
Der Kläger meint, die Beklagte versuche, durch die Kündigung einen bloßen Gedankenprozess zu unterbinden. Die Kirchengemeinde selbst habe für die Verbreitung des Sachverhalts gesorgt und den Kläger dadurch in seiner Reputation und möglicherweise auch wirtschaftlich schwer geschädigt.
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Es fehle ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung. Mit seiner Erklärung, sich die Möglichkeit einer Leihmutterschaft offenzuhalten, habe der Kläger nicht gegen eine konkrete, aus dem Selbstverständnis der Kirche folgende Loyalitätsanforderung verstoßen. Auch überwiege im Rahmen der Interessenabwägung nicht das Interesse der Kirche an einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Äußerung keinen provokativen Charakter habe, sondern dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfalle. Auch bestünden keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die öffentliche Verbreitung der Problematik auf einem Verhalten des Klägers beruhe. Vielmehr trage die Landeskirche einen erheblichen Eigenanteil daran.
Das LAG hat die Entscheidung des ArbG bestätigt. Es hat allerdings offen gelassen, ob das Offenhalten der Pläne für eine Leihmutterschaft geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Denn die Landeskirche habe dem Kläger in einem Personalgespräch Anfang Februar 2022 mitgeteilt, sie missbillige seine Pläne, werde daran aber keine dienstrechtlichen Konsequenzen knüpfen. Hierin hat das LAG einen Verzicht auf das Kündigungsrecht gesehen. Nach dem Personalgespräch habe der Kläger keine über die bisherigen Pläne hinausgehenden Handlungen unternommen.
Das LAG hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, 10 Sa 762/22