26.06.2023
Fachkräfteeinwanderung: Gesetzentwurf passiert Bundestag
Der Bundestag hat am 23.06.2023 den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung (BT-Drs. 20/6500, 20/6946, 20/7293 Nr. 1.3) angenommen. Gegen das Votum der Opposition wurde außerdem ein Entschließungsantrag angenommen, den die Koalitionsfraktionen zu dem Gesetzentwurf eingebracht hatten (BT-Drs. 20/7432).
Mit dem Gesetzentwurf will die Bundesregierung den Herausforderungen für die Fachkräftesicherung und den Arbeitsmarkt in Deutschland begegnen. Der Grundsatz des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes aus dem Jahr 2020 – eine qualifikations- und bedarfsorientierte Zuwanderung in den Arbeitsmarkt – habe sich bewährt, heißt es in dem Entwurf. Darauf aufbauend soll die Fachkräfteeinwanderung künftig auf drei Säulen beruhen: der Fachkräftesäule, der Erfahrungssäule und der Potenzialsäule. Zentrales Element der Einwanderung bleibe die Fachkräftesäule. Sie umfasse wie bisher die Blaue Karte EU für ausländische Hochschulabsolventen sowie die nationale Aufenthaltserlaubnis für ausländische Fachkräfte mit einem deutschen oder in Deutschland anerkannten Abschluss. Wer einen solchen Abschluss hat, soll künftig jede qualifizierte Beschäftigung ausüben können.
Mit dem Gesetzentwurf würden unter Ausnutzung des Spielraums, den die entsprechende EU-Richtlinie (RL 2021/1883) biete, die bestehenden Gehaltsschwellen für Regel- und Engpassberufe spürbar abgesenkt. Zudem werde eine niedrige Mindestgehaltsschwelle für Berufsanfänger mit akademischem Abschluss geschaffen, was die Arbeitsaufnahme für Berufseinsteiger erleichtere. Künftig soll auch international Schutzberechtigten, die ihren Schutzstatus in Deutschland oder einem anderen EU-Mitgliedstaat erhalten haben, eine Blaue Karte EU ausgestellt werden. Für Inhaber einer solchen würden Arbeitgeberwechsel vereinfacht sowie Regelungen zur Ausübung von kurz- und langfristiger Intra-EU-Mobilität in Deutschland auch für Inhaber einer Blauen Karte EU geschaffen, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat ausgestellt wurde. Zudem werde der Familiennachzug zu Inhabern einer Blauen Karte EU sowie die Erlangung der Erlaubnis zum Daueraufenthalt erleichtert.
Neu ist laut Bundesregierung, dass IT-Spezialisten künftig eine Blaue Karte EU erhalten können, wenn sie zwar keinen Hochschulabschluss besitzen, "aber bestimmte non-formale Qualifikationen nachweisen können". Mit diesen Regelungen soll die Attraktivität Deutschlands für besonders qualifizierte Drittstaatsangehörige gesteigert werden, heißt es in der Vorlage.
Indem die Aufnahme eines Studiums in Deutschland attraktiver gemacht wird, soll die Bildungsmigration gestärkt werden. Hierbei werde die Sicherung des Lebensunterhalts durch erweiterte Möglichkeiten zur Nebenbeschäftigung bei Studienaufenthalten erleichtert. Dazu werde die Möglichkeit geschaffen, die Höchstbeschäftigungszeiten nach den sozialrechtlichen Regelungen zu so genannten Werkstudenten auch aufenthaltsrechtlich anzuwenden, um im erlaubten Rahmen zulässiger Nebentätigkeiten während des Studiums zu bleiben, schreibt die Bundesregierung.
Durch die Einführung einer neuen Aufenthaltserlaubnis für eine Anerkennungspartnerschaft soll für vorqualifizierte Drittstaatsangehörige das Erlangen eines in Deutschland anerkannten Abschlusses attraktiver werden, heißt es in dem Entwurf. Dazu könne das Anerkennungsverfahren – wie bisher nur im Rahmen von Vermittlungsabsprachen möglich – erst im Inland begonnen werden.
Für Personen mit einem ausländischen, mindestens zweijährigen Berufsabschluss oder einem Hochschulabschluss soll zur Arbeitssuche eine Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems eingeführt werden. Zu den Auswahlkriterien sollen Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und Deutschlandbezug gehören. Die Chancenkarte biete Möglichkeiten zur Probearbeit oder Nebenbeschäftigung. "Der Wechsel in Aufenthaltstitel zu Erwerbs- oder Bildungszwecken wird gewährleistet", schreibt die Regierung.
Gegen die Stimmen der CDU/CSU- und der AfD-Fraktion hatte der Ausschuss für Inneres und Heimat am 21.06.2023 einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen an, der eine Senkung der Mindestgehaltsschwelle für die Erteilung der Blauen Karte EU für Regelberufe auf 50 Prozent der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung vorsieht. Diese neue Mindestgehaltsschwelle läge laut Begründung im Jahr 2023 bei 43.800 Euro brutto im Jahr.
Auch sollen Asylbewerber, die vor dem 29.03.2023 eingereist sind sowie unter anderem eine entsprechende Qualifikation und ein Arbeitsplatzangebot haben oder sich bereits in einem entsprechenden Arbeitsverhältnis befinden, ihr Asylverfahren durch Antragsrücknahme beenden und eine Aufenthaltserlaubnis als Fachkraft beantragen können, ohne zuvor auszureisen und ein Visumverfahren durchlaufen zu haben.
Ferner soll in Zukunft auch den Eltern einer Fachkraft eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug erteilt werden können. Gleiches gilt für die Schwiegereltern der Fachkraft, wenn deren Ehepartner sich dauerhaft in Deutschland aufhält. Zudem ist unter anderem die Möglichkeit einer Verlängerung der Chancenkarte um bis zu zwei Jahre vorgesehen, wenn der Ausländer einen Arbeitsvertrag oder ein verbindliches Arbeitsplatzangebot für eine inländische qualifizierte Beschäftigung hat und die Bundesagentur für Arbeit zustimmt.
Gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen fasste der Ausschuss auf Antrag der Koalition eine Entschließung, in der die Bundesregierung aufgefordert wird, die so genannte Westbalkan-Regelung "zu einem Teil des Instrumentenkastens für Migrationsabkommen zu machen". Die genannte Regelung eröffnet Menschen vom Westbalkan für jede Beschäftigung einen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Sie könne Bestandteil der jeweils zu verhandelnden Migrationsabkommen der Bundesregierung sein, heißt es in der Entschließung. Wenn mit einem Staat ein Migrationsabkommen mit der analogen Anwendung der Westbalkan-Regelung geschlossen wird, soll der Entschließung zufolge "das von der Bundesregierung verhandelte Kontingent nicht auf das bestehende Kontingent der Westbalkan-Staaten angerechnet und per Verordnung umgesetzt" werden.
Deutscher Bundestag, PM vom 23.06.2023