16.06.2023
Massenverfahren: Möglichkeit von Leitentscheidungen des BGH soll Entlastung bringen
Das Bundesjustizministerium (BMJ) will die Zivilgerichte bei so genannten Massenverfahren entlasten. Dabei handelt es sich um massenhafte Einzelklagen zur gerichtlichen Geltendmachung gleichgelagerter (Verbraucher-)Ansprüche (zum Beispiel im Diesel-Skandal oder wegen unzulässiger Klauseln in Fitnessstudio-, Versicherungs- oder Bankverträgen). Meist stellen sich in diesen Verfahren die gleichen entscheidungserheblichen Rechtsfragen.
Sind diese Rechtsfragen durch den Bundesgerichtshof (BGH) höchstrichterlich geklärt, so können gleichlautende Verfahren, die bei den Instanzgerichten noch anhängig sind, anhand dieser Leitentscheidung ohne weiteres zügig entschieden werden. Bisher können etwa durch Rücknahme von Revisionen aus prozesstaktischen Gründen oder aufgrund eines Vergleichs höchstrichterliche Entscheidungen verhindert werden. Ohne eine höchstrichterliche Klärung bleiben die Instanzgerichte jedoch immer wieder mit neuen Verfahren zu gleichgelagerten Sachverhalten belastet, gibt das BMJ zu bedenken. Als ein Baustein für eine effiziente Erledigung von Massenverfahren sei es daher erforderlich, dass auch in Fällen der Revisionsrücknahme oder der sonstigen Erledigung der Revision zentrale Rechtsfragen zügig durch den BGH geklärt werden können.
Dafür solle ein Leitentscheidungsverfahren beim BGH eingeführt werden. Wird in einem Massenverfahren Revision eingelegt, so könne der BGH dieses Verfahren zu einem Leitentscheidungsverfahren bestimmen. Aus den bei ihm anhängigen Revisionen soll der BGH ein geeignetes Verfahren auswählen können, das ein möglichst breites Spektrum an offenen Rechtsfragen bietet, die er, wie bisher, selbst identifizieren kann. Die Instanzgerichte sollen bei ihnen anhängige Parallelverfahren mit Zustimmung der Parteien währenddessen aussetzen können. Der BGH entscheide über die Rechtsfragen in Form der Leitentscheidung auch dann, wenn die Parteien die Revision zurücknehmen oder sich das Revisionsverfahren auf andere Weise erledigt. Die Leitentscheidung entfalte dabei keinerlei formale Bindungswirkung und habe auch keine Auswirkungen auf das der Leitentscheidung zugrunde liegende konkrete Revisionsverfahren. Sie diene jedoch den Instanzgerichten und der Öffentlichkeit als Richtschnur und Orientierung dafür, wie die Entscheidung der Rechtsfragen gelautet hätte. Dies sorgt laut BMJ für Rechtssicherheit bei Betroffenen und Rechtsanwendern und trage zugleich dazu bei, die Gerichte von weiteren Klagen zu entlasten.
Bundesjustizministerium, PM vom 14.06.2023