15.06.2023
Gewerbesteuerzerlegungsbescheid: Ausschluss der Sicherheitsleistung bei der Aussetzung der Vollziehung
Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg hat einen Ausschluss der Sicherheitsleistung bei der Aussetzung der Vollziehung eines Gewerbesteuerzerlegungsbescheides angeordnet.
In den Jahren 2016 bis 2018 waren Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre 2014 bis 2016 ergangen. Seinerzeit waren das Finanzamt, die Antragstellerin und eine brandenburgische Gemeinde davon ausgegangen, dass die Antragstellerin ihre Geschäftsleitung und einzige Betriebsstätte in der betreffenden brandenburgischen Gemeinde habe. Entsprechend hatte die brandenburgische Gemeinde die Gewerbesteuer für die Streitjahre festgesetzt. Die Messbescheide und die Gewerbesteuerbescheide waren bestandskräftig geworden, und die Antragstellerin hatte die Gewerbesteuer gezahlt.
Später kam die Finanzverwaltung im Zuge einer Prüfung zu der Einschätzung, in der brandenburgischen Gemeinde habe sich nur eine Scheinbetriebsstätte der Antragstellerin befunden. In Wahrheit sei die Geschäftsleitung und einzige Betriebsstätte in einer anderen Gemeinde in einem anderen Bundesland mit einem höheren Gewerbesteuerhebesatz zu verorten gewesen. Auf dieser Grundlage ergingen im Jahr 2022 Gewerbesteuerzerlegungsbescheide, in denen das Finanzamt der brandenburgischen Gemeinde null Prozent und der anderen Gemeinde 100 Prozent der Gewerbesteuermessbeträge zurechnete. Auf Antrag der Antragstellerin, welche Einspruch gegen die Zerlegungsbescheide eingelegt hatte, gewährte das Finanzamt die Aussetzung der Vollziehung der Zerlegungsbescheide.
Nachdem die andere Gemeinde der Antragstellerin mitgeteilt hatte, dass die Folgeaussetzung der Vollziehung der von ihr erlassenen Gewerbesteuerbescheide nur gegen Sicherheitsleistung gewährt werde, beantragte die Antragstellerin knapp drei Monate, nachdem das Finanzamt die Vollziehung der Zerlegungsbescheide ausgesetzt hatte, beim Finanzamt den Ausschluss der Sicherheitsleistung nach § 361 Absatz 3 Satz 3 Abgabenordnung (AO). Die Finanzbehörde stellte sich auf den Standpunkt, dass dem der Eintritt der Bestandskraft der Aussetzungsverfügung entgegenstehe und dass zudem nicht überwiegend wahrscheinlich sei, dass der Einspruch gegen die Zerlegungsbescheide Erfolg haben werde.
Das Gericht hat sich dieser Einschätzung nicht angeschlossen. Das Unterlassen einer Anordnung des Ausschlusses der Sicherheitsleistung nach § 361 Absatz 3 Satz 3 AO erwachse nicht in Bestandskraft und sperre einen entsprechenden gerichtlichen Ausspruch nach §§ 69 Absatz 3 Satz 1, 2. Hs., Absatz 2 Satz 6 Finanzgerichtsordnung nicht.
Die Voraussetzungen der Anordnung lägen vor. Erforderlich sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass die Anfechtung des Grundlagenbescheides (der Gewerbesteuerzerlegungsbescheide, die Grundlagenbescheide für die Gewerbesteuerfestsetzung sind) mit Sicherheit oder großer Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein werde. Dies sei hier der Fall, weil keine Zerlegungsbescheide nach § 28 Gewerbesteuergesetz, 185ff. AO hätten ergehen dürfen, sondern allenfalls Zuteilungsbescheide nach § 190 AO in Betracht gekommen wären. Eine Umdeutung der Bescheide nach § 128 AO komme nicht in Betracht, weil nach Aktenlage die Frist nach §§ 189 Satz 3, 190 Satz 2 AO nicht gewahrt sei. Nach dieser Vorschrift könne ein Zuteilungsbescheid nur ergehen, wenn der übergangene Steuerberechtigte (hier: die andere Gemeinde) dies vor Ablauf eines Jahres nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Gewerbesteuermessbescheides beantragt hat.
Das FG hat die Beschwerde zugelassen.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05.04.2023, 4 V 4019/23