26.05.2023
Steuerberater: Pflicht zu aktiver Nutzung elektronischen Rechtsverkehrs erst mit Zugang des Registrierungstokens für Steuerberaterplattform
Die Pflicht zur aktiven Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs nach § 52d Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) gilt für Steuerberater nicht vor dem Zugang des Registrierungstokens für die Steuerberaterplattform. Dies hat das Finanzgericht (FG) Hessen entschieden.
Seit dem 01.01.2023 besteht nach Auffassung des FG die Pflicht zur aktiven Nutzung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs für einen Steuerberater (erst), sobald ihm der von der Bundessteuerberaterkammer versandte Registrierungstoken für die Steuerberaterplattform (§ 15 Absatz 1 Nr. 2 Steuerberaterplattform- und -postfachverordnung – StBPPV) zugegangen ist.
Soweit in der Literatur dagegen eine aktive Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs ab dem 01.01.2023 ohne Differenzierung danach angenommen wird, ob zu diesem Zeitpunkt für den jeweiligen Steuerberater bereits die individuelle Möglichkeit zur Registrierung besteht, folgt das FG dem nicht. Umgekehrt erscheine aber auch die Annahme einer Nutzungspflicht erst mit der – vom Steuerberater zu veranlassenden – Freischaltung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs als zu weitgehend.
Nach dem Wortlaut des § 52d Satz 2 FGO bestehe die aktive Nutzungspflicht jenseits der Fälle des Satzes 1 nur, wenn ein sicherer Übermittlungsweg "zur Verfügung steht". Gerade im Vergleich mit der unbedingten Nutzungspflicht nach Satz 1 für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts verdeutliche der Wortlaut damit, dass die Nutzungspflicht nach Satz 2 jedenfalls eine allgemeine Verfügbarkeit der Infrastruktur des sicheren Übermittlungswegs für die jeweilige vertretungsberechtigte Person voraussetzt.
Diese Voraussetzung sei im Übrigen schon mit Blick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes geboten, so das FG, weil andernfalls von einem bevollmächtigten Steuerberater Unmögliches verlangt und dem Steuerpflichtigen letztlich die ihm seitens des Gesetzgebers nach § 62 Absatz 2 FGO eingeräumte Möglichkeit genommen würde, sich vor Gericht vom Steuerberater seiner Wahl vertreten zu lassen. Dabei sei auch nicht zu verkennen, dass das Steuerberaterpostfach als hoheitlicher Dienst angeboten wird (BT-Drs. 19/30516, S. 63). Dementsprechend nehme auch der Gesetzgeber eine aktive Nutzungspflicht für einen Steuerberater erst nach der Inbetriebnahme des Steuerberaterpostfachs an, wobei zwingend vor der Nutzung des Steuerberaterpostfachs eine Registrierung mit erfolgreicher Identifizierung auf der Steuerberaterplattform erfolgen müsse (BT-Drs. 19/30516, S. 62).
Die demnach für die aktive Nutzungspflicht des besonderen Steuerberaterpostfachs vorausgesetzte allgemeine Verfügbarkeit der entsprechenden Infrastruktur bestehe erst mit der Übersendung des entsprechenden Registrierungstokens über die Bundessteuerberaterkammer (BStBK), so das FG weiter. Denn die Erstanmeldung am besonderen elektronischen Steuerberaterpostfach erfolge nach § 15 Absatz 1 StBPPV mittels einer Identifizierung und Authentisierung im Sinne des § 4 Absatz 1 StBPPV sowie eines Registrierungstokens, den der Postfachinhaber von der BStBK oder einer von ihr bestimmten Stelle erhält. Während die Möglichkeit der Identifizierung und Authentisierung in der Sphäre des jeweiligen Steuerberaters liegt, sei es diesem vor der Übermittlung des Registrierungstokens aus allein in der hoheitlichen Sphäre des Betreibers der technischen Infrastruktur liegenden Gründen unmöglich, die Erstanmeldung am besonderen Steuerberaterpostfach durchzuführen. Ohne Übermittlung des Registrierungstokens stehe ihm das besondere Steuerberaterpostfach nicht zur Verfügung.
Finanzgericht Hessen, Beschluss vom 21.03.2023, 10 V 67/23